Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
wiedergewonnen. Er brachte sogar ein Lächeln zustande, als er sagte: »Sie können gut reden, mein Freund. Aber wie wichtig sind Sie wirklich? Sie sind ein alter Mann, und ich glaube, ich kenne die wahre Bedeutung alter Männer in diesem Land. Ja, bald werden Sie merken, dass ich andere Freunde habe, die noch besser reden können als Sie. Das hier ist bloß ein Missverständnis, ein kleines Problem, das sich leicht lösen lässt.«
»Selbstverständlich«, sagte Childs. »So wie Sie das kleine Problem mit Mr Hadda gelöst haben, meinen Sie?«
Nikitin merkte auf. Er sah ehrlich verwirrt aus, als er fragte: »Was hat Hadda hiermit zu tun, alter Mann?«
»Nichts«, sagte Childs, der bedauerte, Hadda aus einem Impuls heraus erwähnt zu haben. »Ich weiß nur zufällig, dass Sie einen kommerziellen Interessenkonflikt mit ihm hatten. Und auch einen kleinen emotionalen Konflikt, scheint mir. Und obwohl Sie angeblich so viel Durchblick haben, konnten Sie weder das eine noch das andere aus dem Weg räumen.«
Aber er konnte sehen, dass seine Ablenkungsversuche nicht fruchteten. Der Blick des Mannes glitt von Estovers Körper, um den sich die Sanitäter scharten, zu den Fotos auf dem Tisch.
Childs dachte, so wie sie Estover offenbar in die Mangel genommen hatten, konnten sie jetzt getrost davon ausgehen, dass er die Zeitung nicht informiert hatte. Und weil er so töricht gewesen war, unbedingt den Allwissenden spielen zu wollen, stellte dieser Dreckshund jetzt die Verbindung zu Wolf her.
Er wandte sich abrupt ab und winkte den Polizisten, die an der Tür standen.
Er sah zu, wie Nikitin aus dem Raum bugsiert wurde, und richtete sein Augenmerk dann auf Estover. Die Sanitäter waren mit der Notversorgung fertig und legten ihn jetzt auf eine Rolltrage.
»Wird er durchkommen?«, erkundigte sich Childs.
»Wahrscheinlich«, sagte einer der Männer. »Aber er wird Langzeitschäden zurückbehalten. Und er wird entstellt bleiben. Ein Auge ist nicht zu retten.«
»Oje. So schlägt das Schicksal am Ende zu mit seinem Hämmerchen , was?«
»Wie bitte?«
»Schon gut. Lassen Sie sich nicht aufhalten.«
Wenige Sekunden später war er allein mit dem toten Bodyguard. Natürlich wäre es eine elegantere Lösung gewesen, wenn Toby Estovers Leichnam hier gelegen hätte. Der Anwalt war noch immer in der Lage, die Kapelle in Verlegenheit zu bringen, vor allem wenn sein Nahtoderlebnis ihn in einen schwatzhaften Büßer verwandelte, was nicht selten vorkam.
Andererseits, dachte er, während er die Fotos auf dem Tisch studierte, wenn man der Presse ein paar schmackhafte Häppchen über einige andere Mandanten von ihm zuwarf und denen dann einen Blick auf die Fotos ermöglichte, würde ihm keiner je wieder auch nur ein einziges Wort glauben!
Er steckte die Fotos in die Tasche.
Aus der Situation ließ sich durchaus Kapital schlagen: Er konnte Nikitin entweder an die Russen verkaufen oder er konnte ein Geschäft mit dem Mann machen, um auch noch die kleinste nützliche Information aus ihm herauszuholen. Und hatte ein Mann erst einmal seine Genossen verraten, gehörte er unwiderruflich dir.
Dennoch, er würde behutsam vorgehen müssen. Wäre das hier eine ausschließlich von der Kapelle durchgeführte Operation gewesen, hätte man Nikitin schnellstens aller Möglichkeiten beraubt, Kontakt nach außen aufzunehmen. Aber da sich nun schon das konventionelle Rechtssystem seiner angenommen hatte, wäre es unmöglich, ihn vollständig zu isolieren. Der Mann hatte nicht gelogen, als er sagte, er hätte Freunde, und zwar sowohl ganz oben als auch ganz unten.
Würde er sich bei all seinen anderen Sorgen die Zeit nehmen, der Möglichkeit nachzugehen, dass Wolf Hadda der Grund für seine missliche Lage war? Dieser Pudovkin befand sich noch auf freiem Fuß. Er war gesehen worden, als er kurz vor dem polizeilichen Zugriff von dem Lagerhaus wegfuhr. Ein paar Männer waren ihm hinterhergeschickt worden, um ihn festzunehmen, sobald er in sicherer Entfernung vom Einsatzort war, aber entweder sie waren unachtsam oder er extrem aufmerksam gewesen, jedenfalls war er ihnen entwischt.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde Nikitin ihn wissen lassen, was passiert war, und ihm überdies seinen Verdacht mitteilen, wer dahintersteckte. Wenn es dazu kam und der Kampfhund von der Leine gelassen wurde, könnte Wolf die Erfahrung machen, wie es war, nicht nur Rache zu nehmen, sondern selbst auch Ziel von Rachegelüsten zu werden.
Auf dem Rückweg zu
Weitere Kostenlose Bücher