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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Also kein Bodyguard. Aber offensichtlich von großem Wert für Nikitin, der ihn immer nur Pudo nannte und dem kleineren Mann gelegentlich einen Arm um die Schultern legte, so dass Estover sich schon gefragt hatte, ob die von Pudo geleisteten Dienste nicht vielleicht ganz besonders privater Natur waren. Doch der Respekt, den die großen Bodyguards ihm gegenüber an den Tag legten, ließ vermuten, dass er sehr viel mehr war als bloß ein Lustknabe.
    »Pudo«, sagte der Anwalt, der vor Zorn die vertrauliche Anrede riskierte, »was zum Teufel soll das?«
    Der Mann drehte sich um, starrte ihn kalt an und zischelte: »Still sitzen!«, fast ohne dabei den Mund zu bewegen. Vielleicht weil er einen Draht im Kiefer hatte. Auf jeden Fall war die Wirkung extrem beängstigend, und während der Wagen durch Straßen raste, die weder zu Nikitins Haus noch zu seinem Büro führten, soweit Estover das durch die verdunkelten Scheiben sehen konnte, wich sein Zorn immer mehr einer überhandnehmenden Furcht.
    Wie sich herausstellte, war ihr Ziel ein Lagerhaus am Fluss, irgendwo in Wapping, schätzte er. Pavel Nikitin erwartete ihn dort hinter einem schäbigen Schreibtisch in einem Büro, das aussah, als hätte es schon längere Zeit ausschließlich Mäuse und Spinnen beherbergt.
    »Herrgott, Pasha, wir sind hier doch nicht in Russland, du hättest mich einfach anrufen können«, sagte Estover übertrieben ärgerlich, um seine Verunsicherung zu kaschieren.
    Der Kraftprotz stieß ihn auf einen Stuhl, den Estover lieber kurz mit einem Taschentuch abgewischt hätte, ehe er sein in feine Mohairwolle gehülltes Gesäß darauf platzierte. Nikitin sagte nichts.
    »Hör mal«, sagte Estover, »es besteht kein Grund zur Sorge, bloß weil einem übereifrigen Redakteur irgendwas zu Kopf gestiegen ist. Es ist doch immer dasselbe. Bis zum Mittag haben wir eine einstweilige Verfügung gegen sie, und Ende der Woche drucken sie eine kleinlaute Entschuldigung ab und zahlen ein fettes Sümmchen an irgendeine Wohltätigkeitsorganisation unserer Wahl.«
    Jetzt sprach der Russe.
    »Nein«, sagte er. »Die haben mehr, viel mehr.«
    »Was soll das heißen? Wie viel mehr? Woher weißt du das? Haben die sich bei dir gemeldet?«
    »Heute früh, kurz bevor die Zeitung erschienen ist. Sie haben mich geweckt, um mir zu sagen, was in dem Artikel steht, und gefragt, ob ich einen Kommentar dazu abgeben wollte. Sie haben gesagt, es würde noch mindestens drei Fortsetzungen geben. Und sie haben mir auch erzählt, was in denen stehen wird.«
    »Die bluffen!«, beteuerte Estover. »Die haben genau gewusst, dass ich dafür gesorgt hätte, dass dieser verdammte Mist niemals gedruckt worden wäre, wenn sie dich früher kontaktiert hätten.«
    Dann fragte er ehrlich verwundert, weil Nikitin nicht dafür bekannt war, auf die Ungestörtheit oder Behaglichkeit anderer Rücksicht zu nehmen: »Wieso hast du mich nicht direkt angerufen? Ich wäre zu dir gekommen, egal um welche Uhrzeit.«
    »Weil ich dich sehen wollte, ohne dass jemand weiß, dass ich dich sehe«, sagte Nikitin.
    Für einen Moment wirkte diese Antwort wie ein undurchdringliches Rätsel.
    Dann holte der Russe einen Umschlag aus der Tasche und schüttelte einige Fotos auf die Schreibtischplatte.
    Estover starrte darauf, und allmählich klärte sich das Rätsel auf.
    Sie zeigten ihn an einem Restauranttisch, wie er Kitty Locksley ein Päckchen überreichte, wie die Frau es irritiert betrachtete, wie sie beide lächelten, während sie es ungeöffnet in ihre Handtasche steckte.
    »Die wurden bei mir zu Hause abgegeben, kurz bevor der Anruf von der Zeitung kam«, sagte der Russe.
    In beruflichen Extremsituationen kam Toby Estovers Verstand immer schnell auf Hochtouren. Das war eine der Fähigkeiten, die ihn zu so einem guten Anwalt machten. Und während er die Optionen eines Mandanten im Kopf durchspielte, sagte er stets das beruhigende Mantra auf: »Keine Sorge, es gibt immer einen Ausweg.«
    Jetzt arbeitete sein Verstand schnell genug, um ebenso zu erfassen, was diese Fotos implizierten, wie die Tatsache zu begreifen, dass niemand wusste, dass er hier bei dem Russen war. Plötzlich kam ihm das beruhigende Mantra nicht ganz passend vor, und er sagte gerade: »Pasha, ich bitte dich, du glaubst doch wohl nicht …«, als der Stuhl unter ihm weggerissen wurde und er auf dem Boden landete. Er schrie erschreckt auf und brüllte dann vor Schmerz, als der Fuß des Kraftprotzes ihn hart im Schritt traf.
    Sie warteten geduldig, bis

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