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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aber sie akzeptierte mehr oder weniger, dass nur das Schicksal für ihren Aufstieg verantwortlich war. Was sie nicht weiter störte, so redete sie sich ein. Die Welt war voller ausgezeichneter junger Psychiater. Umso besser, dass sie zu den Glücklichen zählte!
    Trotzdem, es hätte ihr gefallen, wenn man sie gezielt ausgesucht hätte! Aber vielleicht hieß das nur, dass sie sich dann sicherer gefühlt hätte, die richtige Person an der richtigen Stelle zu sein.
    Als sie durchs Tor ging, begegnete sie Chief Officer Proctor. Er begrüßte sie mit seiner üblichen munteren Freundlichkeit, aber wie immer fühlte sie sich von seinen stechenden Augen taxiert, als suchten sie bei ihr nach einer Schwäche, die seine Überzeugung bestätigte, der Job sei nichts für eine Frau.
    Sie verdrängte all diese negativen Gedanken aus dem Kopf, als sie im Besucherraum saß und darauf wartete, dass Hadda hereingeführt wurde.
    Sein Gesicht war ausdruckslos, als er sich setzte und die Hände vielleicht ein wenig zu demonstrativ vor sich auf den Tisch legte.
    Dann ließ er den Blick langsam nach unten zu dem Schulheft gleiten, das vor ihr lag, und sagte: »Und?«
    Und sie sagte mit einer Lebhaftigkeit, die ihr selbst unnatürlich vorkam: »Es ist sehr interessant.«
    Das wiederum führte zu dem kurzen Wortwechsel, der damit endete, dass sie einander herausfordernd anstarrten.
    So hatte sie sich den Auftakt der Sitzung nicht vorgestellt.
    Unvermittelt sagte sie: »Erzählen Sie mir von Woodcutter Enterprises.«
    Sie wollte ihn ablenken, indem sie nicht auf seine Pädophilie zu sprechen kam, die ihre Hauptsorge war, sondern auf die betrügerischen Aktivitäten seines Unternehmens, die ihm die andere Hälfte seiner langen Haftstrafe eingebracht hatten.
    Er blickte sie mit einem Ausdruck an, der zu sagen schien, dass er ihre Verstellungsversuche ebenso leicht durchschaute wie seine eigenen, aber er antwortete: »Wissen Sie, was eine Private-Equity-Gesellschaft ist?«
    Sie nickte, und er sprach weiter: »Das war Woodcutter am Anfang. Wir haben Unternehmen ausfindig gemacht, die aufgrund von schlechtem Management und schlechter Organisation dringenden Sanierungsbedarf hatten, was sie häufig auch anfällig für Übernahmen machte. Sobald wir am Ruder waren, haben wir die gesunden profitablen Elemente behalten und alles andere abgestoßen. Und wenn wir dann weiterzogen, haben wir ein schlankeres, gesünderes und sehr viel rentableres Unternehmen zurückgelassen.«
    »Also eine Art soziale Dienstleistung?«, sagte sie lächelnd.
    »Sparen Sie sich Ihre Ironie«, sagte er knapp. »Ziel jedes Unternehmens ist es, Gewinn zu machen, und das hat Woodcutter sehr erfolgreich und völlig legal getan.«
    Sie sagte: »Und Sie haben die Firma Woodcutter Enterprises genannt, weil Sie Ihre Aufgabe darin sahen, tote Äste von potenziell gesunden Unternehmen zu schlagen?«
    Er lächelte, nicht das attraktive Lächeln, das sein Gesicht aufhellte und das ihr bereits aufgefallen war, sondern ein zähnefletschendes Grinsen, das sie an seinen Spitznamen Wolf erinnerte.
    »Genau, Sie haben recht, wie üblich. Später dann haben wir nach besonders erfolgreichen Sanierungen auch langfristig Anteile behalten, deshalb sollten die Leute, die behaupten, es wäre uns nur um die schnelle Kohle gegangen à la nach uns die Sintflut, besser ihre Hausaufgaben machen.«
    Interessant, dachte sie. Er empörte sich mindestens genauso leidenschaftlich darüber, dass man ihm gewissenlose Geschäftspraktiken vorgeworfen hatte, wie über die Missbrauchsanklage.
    Sie sagte: »Ich denke, das zuständige Amt hat alle erforderlichen Hausaufgaben gemacht, finden Sie nicht auch?«
    Einen Moment lang dachte sie, sie hätte ihn zu einem weiteren Ausbruch provoziert, aber er beherrschte sich und sagte ruhig: »Also, wo stehen wir jetzt, Dr. Ozigbo? Ich hab getan, was Sie wollten, und angefangen, Dinge zu Papier zu bringen. Ich hab Ihnen geschildert, was und wie alles passiert ist. Ich dachte, jemand mit Ihrem Beruf wäre unvoreingenommen, aber mir scheint, Sie haben genauso viele Vorurteile wie alle anderen auch!«
    Die Reaktion überraschte sie nicht. Das geschriebene Wort verlieh der Fantasie physische Existenz, und zu Anfang führte der Akt des Niederschreibens fast ausnahmslos zu einer noch stärkeren Verdrängung.
    »Hier geht es nicht um mich, es geht um Sie«, sagte sie sanft. »Ich habe gesagt, es ist sehr interessant, und das war mein voller Ernst. Aber Sie haben gesagt, das hier sei

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