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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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arrogante Männerstimme sagt: »Na, das werden wir ja sehen.«
    Ein ungläubiger Thomas, denkst du. Weil du dich über seinen Ton gegenüber der Krankenschwester ärgerst, wiederholst du deine Vorstellung extra für ihn. Worauf er eine Minitaschenlampe zückt und damit genau in dein kostbares Auge leuchtet.
    Mistkerl!
    Dann fragt er: »Wissen Sie, wer Sie sind?«
    Es wäre hilfreich, wenn du seine Frage verstehen würdest.
    Bedeutet sie, dass er keine Ahnung hat, wer du bist?
    Oder will er nur überprüfen, wie klar du bist?
    Du brauchst Bedenkzeit. Nicht weil du überlegst, wie du taktisch klug antworten sollst, sondern wie du überhaupt antworten sollst.
    Allmählich wird dir klar, dass du keineswegs sicher bist, ob du weißt, wer du bist, oder nicht.
    Du fragst bei deiner gespaltenen Persönlichkeit nach.
    Der Beobachter erklärt, er vermute stark, dass du jemand namens Wilfred Hadda bist, dass du einen Unfall hattest, dass du vor dem Unfall in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt hast, aber dass du dir darum jetzt keine Sorgen machen musst, weil dir wahrscheinlich sowieso alles irgendwann wieder einfällt.
    Aber der, der das alles selbst erlebt, übergeht diese intellektuellen Spitzfindigkeiten. Du bist ein einäugiger Mann in einem Krankenhausbett, sagt er, und wichtig ist jetzt nur, herauszufinden, was dir sonst noch so alles fehlt.
    Du gibst ein paar weitere Türangelgeräusche von dir, und Dr. Jekyll beweist, dass das kleine Vermögen, das seine Ausbildung gekostet hat, nicht bloß rausgeschmissenes Geld war, indem er sagt: »Schwester, ich glaube, er braucht etwas Wasser.«
    Er drückt einen Knopf, der die obere Hälfte des Bettes auf einen Winkel von fünfundvierzig Grad anhebt. Einen Moment lang ist der veränderte Blickwinkel schwindelerregend, und du hast das Gefühl, als würdest du gleich von einer Klippe stürzen.
    Dann wird dein Kopf wieder klar, und die Schwester hält dir einen Becher mit Wasser an die Lippen.
    »Vorsichtig«, sagt Jekyll. »Nicht zu viel.«
    Mistkerl! Wahrscheinlich ist er auch einer von diesen geizigen Schwachköpfen, die zu Hause die Spirituosenflaschen mit Strichen markieren, damit sie genau wissen, wie viel Alkohol sie ihren Gästen kredenzen.
    Als dir endlich genug Flüssigkeit durch die Kehle gelaufen ist, um die verklebten Stimmbänder zu lösen, versuchst du nicht sofort, zu sprechen. Zuerst musst du deinen Körper überprüfen.
    Du versuchst, mit Fingern und Zehen zu wackeln, und bist froh, eine Reaktion zu spüren. Aber das muss nichts heißen. Du hast von Leuten gehört, die noch immer Schmerzen in einem Körperteil empfinden, der schon vor Jahren amputiert wurde. Mit großer Anstrengung hebst du den Kopf, um einen einäugigen Blick auf deine Arme werfen zu können.
    Zuerst der linke. Der sieht in Ordnung aus. Dann der rechte. Da stimmt was nicht. Du bist sicher, dass du früher mehr als nur zwei Finger hattest. Aber ein Mann kann mit zwei Fingern zurechtkommen. Fehlende Zehen wären schwieriger.
    Du sagst: »Füße.«
    Jekyll blickt verständnislos, aber die Schwester versteht schnell.
    »Er will seine Füße sehen«, sagt sie.
    Jekyll guckt noch immer ratlos. Vielleicht war er verkatert, als sie die Füße durchgenommen haben. Aber die Schwester zieht langsam die Decke zurück und legt deine untere Körperhälfte frei.
    Es ist kein Adonis-Körper, aber zumindest scheint noch alles dran zu sein, auch wenn dein linkes Bein so aussieht, als wäre es von einem Bildhauer zusammengestoppelt worden, der meinte, Giacometti hätte sein Material ein bisschen zu verschwenderisch eingesetzt. Aus deinem Penis kommt ein Schlauch, und irgendwer hat dir die Schamhaare abrasiert. Soweit du das erkennen kannst, ist dein Hodensack unversehrt.
    Du probierst etwas Komplizierteres, als bloß mit den Zehen zu wackeln, aber der Versuch, die Knie zu beugen, führt lediglich zu einem langsamen Zucken, und du gibst auf.
    Du sagst: »Spiegel.«
    Schwester und Arzt blicken sich über deinen Körper hinweg an.
    Sie tragen beide Namenschildchen. Die Schwester heißt Jane Duggan.
    Der Arzt heißt angeblich Jacklin, nicht Jekyll. Ein Schreibfehler, befindest du.
    Jekyll zuckt die Achseln, als wollte er sagen: Ist mir einerlei, für Spiegel sind die Krankenschwestern zuständig.
    Schwester Jane geht aus dem Raum. Jekyll misst dir den Puls und macht noch ein paar andere medizinische Sachen, woran du ihn nicht hindern kannst, weil du zu schwach bist. Dann kommt Jane zurück und hat einen kleinen

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