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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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müssen Sie doch einsehen.«
    Jetzt kommst du doch sehr nahe an ein Brüllen heran.
    »Was für Umstände denn, verdammt noch mal?«
    »Ach Herrje. Hören Sie, es tut mir leid«, sagt sie, und jetzt klingt sie ehrlich besorgt. »Ich dachte, Sie wissen es. Eigentlich sollten Sie das nicht von mir erfahren müssen, aber die Sache ist die, Toby vertritt in der Scheidungssache die Interessen Ihrer Frau.«

Elfe
1
    Also das war nun wirklich interessant, dachte Alva Ozigbo.
    Er war von der ersten Person Präteritum in die zweite Person Präsens gewechselt.
    Brachte ihn das näher oder entfernte es ihn noch weiter?
    In gewisser Weise näher. Der erste Teil war eine ziemlich geradlinige Schilderung gewesen. Die Einzelheiten, an die er sich erinnerte, die emotionale Färbung, die er einfließen ließ, all das deutete darauf hin, dass es eine Version jenes fernen Vormittags war, die er oft im Kopf durchgespielt hatte. Ja, durchgespielt, war das passende Wort. Wie ein hingebungsvoller Schauspieler hatte er sich so tief in die Rolle des unschuldigen Opfers hineinversetzt, dass er den Part tatsächlich lebte.
    Seit sie mit Haddas Fall befasst war, hatte sie gründliche Recherchen betrieben. Wenn sie ihre Unterlagen durchsah, war sie sogar selbst erstaunt, wie gründlich. Sie hatte den Blick nach innen gerichtet, um den Grund für dieses besondere Interesse zu finden. Wie ihre Analyse von Hadda war auch das noch ein unvollendetes Projekt.
    Sie rief sich den Rat in Erinnerung, den Simon Homewood ihr an jenem dunklen Januartag 2015 gegeben hatte, als sie ihre Arbeit antrat. Er hatte sie überrascht.
    »Viele von denen werden Ihnen erzählen, dass sie unschuldig sind. Glauben Sie ihnen. Glauben Sie ihnen weiter, wenn sie sich mit ihren Fällen befassen. Überprüfen Sie sämtliche Beweise gegen sie mit einem offenen oder sogar skeptischen Blick. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?»
    »Ja, aber ich verstehe nicht, warum Sie es sagen«, hatte sie geantwortet.
    Er lächelte und sagte: »Weil ich genau das bei jedem Häftling mache, der in Parkleigh in meine Obhut kommt. Solange ich nicht absolut von ihrer Schuld überzeugt bin, kann ich ihnen nicht helfen. Ich möchte, dass Sie das genauso sehen.«
    »Und wie oft waren Sie nicht überzeugt?«, hatte sie keck gefragt.
    »Zweimal«, sagte er. »Der eine kam in der Berufung frei. Der andere hat sich umgebracht, ehe ich irgendwas für ihn tun konnte. Ich habe mir geschworen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.«
    Also hatte sie sich die Beweise gegen Hadda in dem Pädophilenprozess äußerst gründlich angesehen. Und sie hatte Staatsanwalt Giles Nevinson gebeten, das ebenfalls zu tun. »So wasserdicht wie ein Entenarsch«, hatte er munter erklärt. »Und der ist garantiert wasserdicht. Wieso interessierst du dich so für den Burschen?«
    »Weil er … interessant ist.« Eine bessere Antwort fiel ihr nicht ein. »Psychologisch, meine ich.«
    Wieso hatte sie geglaubt, das hinzufügen zu müssen? Was hätte sie sonst an so einem Mann interessant finden können, einem verurteilten Sexualstraftäter und Betrüger mit einem Hang zur Gewalttätigkeit? Laut seiner Akte war er in der ersten Zeit in Parkleigh das eine oder andere Mal von »normalen« Häftlingen angegriffen worden. Sein verkrüppeltes Bein beeinträchtigte die Schnelligkeit seiner Bewegungsabläufe, aber er verfügte noch immer über eine kolossale Kraft und hatte einen Angreifer krankenhausreif geschlagen. Seine Verlegung in den Sondertrakt hatte weitere Attacken unterbunden, und auf verbale Beschimpfungen reagierte er mit derselben massiven Gleichgültigkeit, die er gegenüber allen Versuchen, mit ihm in Kontakt zu treten, an den Tag legte. Letzten Endes kam es zu einer Art Vertrag mit der Gefängnisleitung. Er machte keinen Ärger, er bekam keinen Ärger.
    Er bekam auch keine Therapie. Er gehörte zwar nicht zu den Häftlingen, die spektakuläre Unschuldsbeteuerungen inszenierten oder die draußen Unterstützergruppen hatten, die sich für sie einsetzten, aber er gestand nie auch nur ansatzweise seine Schuld ein. Vielleicht war es gerade diese totale Widerspenstigkeit, die Alvas Aufmerksamkeit fesselte.
    Mit Erlaubnis des Direktors hatte sie Haddas Zelle besichtigt, während er und alle anderen Häftlinge im Esssaal waren. Die Zelle war sogar für Gefängnisverhältnisse kahl. Ein angemessenes Maß an persönlicher Gestaltung war erlaubt, aber anscheinend war das einzige Persönliche, mit dem Hadda den Raum versehen

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