Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
dem offensichtlich ein Porträt von mir steckte. Die Unterschrift dazu lautete: »Dorian Gray wird vom Speicher geholt.« Der Telegraph , der sich auf dem Gebiet der literarischen Anspielungen nicht ausbooten lassen wollte, veröffentlichte ein Foto, das ein Standbild aus einer Frankenstein-Verfilmung hätte sein können, und untertitelte es mit dem Browning-Zitat: »Schlecht muss der sein, der solchen Schmerz verdient.« Vorsorglich lieferten sie ihren Lesern auch noch die genaue Quellenangabe.
Mir sagte das Zitat nichts, aber ich schätze, eine gebildete junge Frau wie Sie, Elfe, hätte des Hinweises nicht bedurft.
Am schlimmsten war jedoch die Art, wie sie Dads Schlaganfall ausschlachteten. Die Verantwortung dafür wurde ausschließlich mir angelastet. Die Sünden des Sohnes, die den Vater heimsuchten, das war der Grundgedanke, wann immer Fred erwähnt wurde. Meine Anträge, ihn besuchen zu dürfen, wurden weiterhin mit der Begründung abgelehnt, dass (a) sein Zustand nicht lebensbedrohlich war und (b) ein solcher Besuch die Öffentlichkeit beunruhigen, wenn nicht gar in Aufruhr versetzen würde. Als ich meinen Anwalt bedrängte, mehr Druck zu machen, sagte er lakonisch: »Zwecklos. Selbst wenn wir die Erlaubnis bekämen, würde das an die Presse durchsickern, und die ganze Angelegenheit würde zu einem Karnevalsumzug mit dir als Hauptattraktion ausarten.«
Einen neuen Anwalt zu finden, war nicht so leicht gewesen, wie ich gedacht hatte. Toby Estover hatte mich bei seinem Abgang allein im Sumpf zurückgelassen, und keine andere Kanzlei war versessen darauf, mich da wieder rauszuziehen. Mir wurde bald klar, dass nicht Abscheu das Problem war, sondern Geld. Das, was der Börsencrash von meinem Vermögen übrig gelassen hatte, nahmen mir die Scheidungsgerichte, und mir wurde rasch klar gemacht, dass es eine meilenlange Warteschlange von Investoren mit finanziellen Ansprüchen an mich gab, die nichts lieber tun würden, als meinen Hungerlohn pfänden zu lassen, den ich mit dem Nähen von Postsäcken oder mit irgendeiner anderen Erwerbstätigkeit, wie sie in den Gefängnissen ihrer Majestät derzeit angeboten wurden, verdienen würde. Letztlich hätte ich wohl den erstbesten Pflichtverteidiger nehmen müssen, wenn mir nicht Edgar Trapp eingefallen wäre, ein ziemlich unbedeutender Anwalt mit einer Kanzlei im East End, dem ich mal einen Gefallen getan hatte. Er hatte zwei große Vorzüge, der eine war seine Verfügbarkeit, der andere seine Offenheit. Weder im Vorfeld meines Prozesses noch während der Verhandlung machte er mir je irgendwelche Hoffnungen auf einen Freispruch.
Da Trapp aber keine Zulassung für höhere Gerichte hatte, wurde mir für die Hauptverhandlung ein entsprechender Prozessanwalt zugewiesen, und als ich erfuhr, dass das Gericht Andrew Stoller ernannt hatte, fasste ich vorübergehend etwas Zuversicht. Stoller war ein offensiver streitlustiger Anwalt, dem zunehmend der Ruf vorauseilte, hoffnungslose Fälle zu übernehmen und sie mitunter sogar zu gewinnen. Doch Trapp schüttelte den Kopf und sagte düster: »Das bedeutet nur, die Staatsanwaltschaft ist sich ihrer Sache so sicher, dass sie Strippen gezogen hat, damit du die bestmögliche Verteidigung bekommst und kein Spielraum mehr für eine Berufung bleibt.«
Ich sagte: »Himmelherrgott, Ed! Wenn ich dich bezahlen würde, würde ich dich rausschmeißen!«
Er brachte ein seltenes Lächeln zustande und sagte: »Wenn du mich bezahlen würdest, hätte ich wahrscheinlich schon längst die Brocken hingeschmissen.«
Es war ein Witz, aber ich wusste, dass es für jemanden wie Ed Trapp schwer sein musste, mich zu vertreten. Ich war die absolute Feindfigur. Die Spitzenbanker, die das Land an den Rand des Ruins getrieben hatten, saßen in der Mehrzahl noch immer auf ihren Posten. Manche von ihnen hatten fette Abfindungen kassiert, die Dutzenden Familien die Schlange vor den Arbeitsämtern hätten ersparen können. An die kam keiner ran. Mich dagegen hatte die Öffentlichkeit nicht nur im Visier, sondern auch in Reichweite, den skrupellosen Finanzbetrüger und Kinderschänder. Ich vermute, die Leute machten Ed das Leben ziemlich schwer. Aber wenn Eds Ehefrau und Assistentin dabei war, ließen sie ihn überwiegend in Ruhe. Nur sehr mutige oder sehr dumme Menschen legen sich mit Doll an!
Das waren die Gedanken, mit denen ich mich tröstete, wenn ich an die Schwierigkeiten dachte, in die ich Ed gebracht hatte. Wobei ich nicht sehr oft daran dachte. Um
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