Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
sobald er in der Lage wäre zu reisen. Die Nachrichten über seinen Gesundheitszustand hatten etwas vielversprechender geklungen. Es war ihm langsam aber stetig besser gegangen. Und dann hatte er einen weiteren Schlaganfall gehabt, der so massiv war, dass nichts mehr für ihn getan werden konnte, obwohl Hilfe direkt zur Stelle gewesen war.
    Ich beantragte erst gar nicht die Genehmigung, zu seiner Beerdigung zu gehen. Wozu? Er würde auf dem Friedhof von St Swithin’s oben in Mireton beigesetzt werden. Alle würden da sein. Er war ein beliebter Mann gewesen. Meine Anwesenheit würde nur die Pressemeute anlocken, die ihre Objektive auf mich richten würden, um meine Reaktion zu beobachten, wenn der Vater, den ich umgebracht hatte, ins Grab gesenkt wurde.
    So sah ich das, Elfe, und so sehe ich das noch immer. Ich muss es nicht in den Zeitungen lesen. So oder so habe ich Fred umgebracht, ich gestehe es ein.
    Und das ist noch nicht alles. Greifen Sie zu, heute ist Ihr Glückstag.
    Nachdem ich die Nachricht von Freds Tod erhalten hatte, setzte ich mich hin und schrieb Ginny einen Brief. In der Zeit vor meinem Prozess hatte ich ihr öfter geschrieben. Keine Antwort, entweder weil sie nicht wollte oder weil sie meine Briefe vielleicht gar nicht erhalten hatte. Nach meiner Verurteilung schrieb ich ihr erneut, und wieder kam nichts zurück. Ich nahm es ihr nicht übel. Es ist schwer für ein Kind, mit dem Gedanken fertigzuwerden, dass der eigene Vater ein Perverser und Betrüger ist. Lass ihr Zeit, dachte ich, lass sie etwas älter werden. Weihnachtskarten, Geburtstagskarten verrieten ihr, dass ich noch am Leben war. Aber sie und ihr Großvater hatten sich nahegestanden, und ich wollte ihr sagen … Ich weiß nicht, was ich ihr sagen wollte, außer, dass ich sie liebte. Als ich den Brief fertig hatte, las ich ihn durch, einmal, zweimal, dreimal. Dann zerriss ich ihn, weil ich mir im Geist vorstellte, dass sie genau das tun würde.
    Noch ein Fehler. Ich hätte den Mut haben sollen, ihn abzuschicken. Ich hätte Himmel und Erde in Bewegung setzen müssen, um den Kontakt zu ihr wiederherzustellen. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, mit ihr zu reden, hätte ich sie vielleicht von meiner Unschuld überzeugen können, vielleicht hätte sie sich dann nicht so einfach in ein anderes Land schicken lassen …
    Vielleicht wäre sie dann noch am Leben.
    Aber wenn ich jetzt auf ihre Kindheit zurückblicke, muss ich mir eingestehen, wie selten ich für sie da war. Ich hab mich immer als liebevollen Vater gesehen, aber als ich nach meiner Verurteilung über Ginny nachdachte, wurde mir bewusst, dass ich sie vor dem großen Knall das letzte Mal zu Beginn ihrer Sommerferien gesehen hatte, als sie mich bat, ihr bei ihrer Wordsworth-Hausaufgabe zu helfen. Kurz danach musste ich eilig auf eine Geschäftsreise, und als ich zurückkam, war sie schon wieder im Internat. Im Grunde war unser Kontakt in den letzten paar Jahren immer so gelaufen: Ich war ständig unterwegs, so dass ich sie überhaupt nur zu sehen bekam, wenn sich meine Aufenthalte in England mit ihren Schulferien überlappten. Okay, wenn ich zurückkam, brachte ich immer einen Berg teurer Geschenke aus exotischen Ländern mit, aber das war wohl kaum eine Entschädigung dafür, dass ich sie vernachlässigte.
    Was halten Sie davon, Elfe? Prima Dad, was?
    Ganz gleich, inwieweit andere dafür verantwortlich sind, dass ich hier bin und Ginny drüben in Frankreich ums Leben kam, ich kenne die Wahrheit. Ich war für sie verantwortlich, und ich habe sie verraten. Ich habe sie von Anfang an verraten. Von dieser dreckigen Pariser Gasse, in der sie gestorben ist, führt eine lange Spur zurück, und die beginnt zu meinen Füßen.
    Geht es Ihnen darum, Elfe? Wollen Sie das hören?
    Dann bitte sehr, Mädchen.
    Was auch immer man mir sonst angehängt haben mag, jetzt und hier lege ich ein vollständiges Geständnis ab.
    Sie haben mich durchschaut. Ich hab meine Tochter im Stich gelassen und ich habe meinen Vater im Stich gelassen.
    Ich habe beide getötet. Ich habe sie beide getötet.

Elfe
1
    Da war er. Der Durchbruch!
    Sie sah sich gern Sport im Fernsehen an. Die Eleganz und Durchtrainiertheit der Sportler bereiteten ihr echte Freude, und außerdem lernte sie viel, wenn sie mit klinischer Distanz das ganze Spektrum menschlicher Reaktionen auf Triumph und Scheitern beobachtete, auf Sieg und Niederlage. Sie hatte für eine psychologische Fachzeitschrift einen Aufsatz zu diesem Thema geschrieben.

Weitere Kostenlose Bücher