Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
darüber sprachen, wirkten Sie plötzlich wie jemand anderes.« Er brach verlegen ab. »Tut mir leid. Das war ziemlich anmaßend.«
»Nein, schon gut«, sagte Amber. »Ich war tatsächlich wie besessen davon, das ist wahr.« Wieder machte sie sich bewusst, was sie in Mexiko so an ihm gemocht hatte: Er schien nicht lügen zu können, schien es einfach nicht zu können. Und für Amber, die aus einer ganz anderen Welt stammte, war das wie eine Offenbarung. »Tja, also«, sagte sie nachdenklich, »meine Schwester …«
Und sie erzählte es ihm. Von der Russin und der Überdosis, dass Leo alles vögelte, was sich bewegte, dass Chelsea und sie nicht denselben Vater hatten. Sie erzählte, wie sie sich nach all den Jahren an ihrer Schwester gerächt hatte, und sie erzählte ihm, dass sie sich jetzt auch nicht besser fühlte.
»Ich dachte, es wäre befriedigend«, sagte sie, »aber es hat mir nicht gutgetan. Es war gemein und billig von mir. Meine Mutter ist so durcheinander, dass sie nach England zurückgekehrt ist. Chelsea hat sich von Leo getrennt, was immerhin gut ist. Aber das tote Mädchen … dem kann ohnehin niemand mehr helfen.«
»Ruft sie noch an? Diese Russin? Wird sie Ärger machen – vielleicht zur Zeitung gehen?«
Amber biss sich auf den Fingernagel. Oksanas Anrufe häuften sich und wurden immer drohender. »Sie sagt, dass sie es tun wird, ja.«
Matt nickte. »Puh.« Er blickte einen Moment schweigend ins Leere. »Und falls sie das tut, geht alles den Bach runter.«
»Zumindest würde man Chelsea verhaften«, sagte Amber. Sie beobachtete ihn. Sie wusste selbst nicht, warum sie ihm vertraute. Es war eine Riesengeschichte – falls er sich damit an die Presse wandte, konnte er viel Geld dafür bekommen.
Aber sie war sicher, dass er es nicht tun würde. Er strahlte etwas aus, das Vertrauen erweckte. Und er war nicht wirklich daran interessiert, berühmt zu sein, das hatte sie schon an ihrem ersten Abend erkannt. Er war an Musik interessiert.
»Das ist hart«, sagte er nun.
»Sie müssen mich für einen schrecklichen Menschen halten.«
»Sie? Aber nein. Wie kommen Sie denn darauf?«
Amber sah aus dem Fenster, vor dem dick mit Schals und Ohrschützern eingepackte New Yorker durch den Schnee stapften. »Na ja, ich habe mich ziemlich mies benommen …«
»Aber Sie waren der Meinung, dass Sie es tun mussten.« Matt schüttelte den Kopf. »Kommen Sie, Amber, das ist Schwachsinn, und Sie wissen es. Sehen Sie mal da draußen: Die müssen schon wieder Schnee schippen.«
Amber lachte. »Ich finde es schön.« Sie wandte sich wieder ihm zu. Er betrachtete sie eingehend.
»Amber, hören Sie zu. Ich wollte Sie wiedersehen.«
»Ich Sie auch«, sagte Amber.
»Ich wollte mit Ihnen reden. Über Ihre Musik …« Er verstummte, um neu anzusetzen. »Über uns … und Sie als Sängerin.«
»Wow.« Sie räusperte sich. »Wow – ja. Darüber habe ich auch nachgedacht.«
Und dennoch war sie fast ein wenig enttäuscht. Sah er sie nur als neuen Plattenvertrag, oder steckte mehr dahinter? Amber schüttelte ungeduldig den Kopf. Dumme Kuh, die sie war. Sie sollte froh sein, überhaupt hier mit diesem netten Mann zu sitzen, der einfach nur mit ihr plaudern wollte und keinerlei Druck auf sie ausübte …
Matt wechselte das Thema. »Sagen Sie … hätten Sie Lust, noch woanders hinzugehen? Wollen Sie vielleicht tanzen? Ich kenne einen netten Club um die Ecke, die spielen ziemlich coolen Soul.« Er verstummte erneut. »Aber Sie sind bestimmt müde …«
Lächelnd sah sie auf. »Überhaupt nicht. Sehr gerne.«
»Großartig«, sagte Matt und schlug begeistert auf die Bar. »Dann los.«
Der Club, der mitten im Meatpacking District lag, war winzig. Schmutzig grauer Schnee bedeckte das Kopfsteinpflaster der Straße, und eine rostige, baufällige Treppe führte hinab in den Untergrund. Drinnen roch es nach Schimmel und Schweiß und irgendeinem exotischen Raumparfum, das wahrscheinlich die anderen Gerüche übertünchen sollte. Der Laden war proppenvoll: Ältere Männer mit Mützen standen an der Bar und klopften den Rhythmus der Musik mit, Pärchen saßen an den Tischchen mit den schummrigen Leuchten, die schwaches Licht auf die Tanzfläche warfen. Hinter der alten, schäbigen Theke bediente ein beängstigend aussehender, tätowierter Barkeeper, und in einem Verschlag stand ein DJ, ungefähr in Ambers Alter, der aus Stapeln echter Schallplatten – keine CDs, keine iPods – aussuchte und auflegte. Und die
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