Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
dann wandte sie sich wieder zu Leo um und zog fast unmerklich eine Augenbraue hoch. Er verbiss sich ein Grinsen.
Er und Sally hatten eine Wette abgeschlossen: Wer von den Schwestern würde als Siegerin aus dieser Sache hervorgehen? Leo hatte aus Langeweile auf Chelsea getippt.
Es hätte ihn sicher interessiert – und erstaunt –, dass Sally dagegen an Amber glaubte, denn sie hatte schon vor längerer Zeit begriffen, dass man das scheue, zarte Mädchen keinesfalls unterschätzen durfte. Sally hatte Amber ursprünglich nur eine einzige Saison gegeben, aber nach nahezu einem Jahrzehnt war sie unglaublicherweise noch immer da. An der Spitze. An Leos Seite. Sie war zäh, die kleine Amber.
»Okay, ich denke, ich nehme doch einen Whisky«, sagte Chelsea plötzlich. Leos Blicke gefielen ihr nicht – er gab ihr das Gefühl, ein fetter Wal in einem engen Schlauch zu sein. Sie war Chelsea Stone, berühmte englische Schauspielerin, nicht Ambers dicke Schwester. »Ich brauche einen Drink.«
»Wie wäre es Ihnen denn recht?«, fragte er und zog seine Brauen hoch.
Chelsea ging nicht darauf ein. War das alles, was er konnte? Eine billige Anspielung äußern? Was für ein Loser. »Kein Eis. Ein Fingerbreit Wasser, sonst nichts.«
»Ich wusste, dass wir uns gut verstehen würden«, sagte Leo anerkennend. »Im Schrank steht eine schöne Flasche. Ich leiste Ihnen Gesellschaft.«
Amber hielt sich abseits. In ihrer weißen Spitzenbluse und den hellblauen Ralph-Lauren-Shorts, mit der klaren, braunen Haut, den schneeweißen Zähnen und dem sorgfältig gesträhnten Haar sah sie mehr denn je aus wie der Liebling Amerikas.
»Whisky?«, fragte sie mit leicht ansteigender Stimme. »Kein Problem. Ich bringe euch etwas.«
Sie blickte von Leo zu Sally und dann zu Chelsea, und Leo, der sich inzwischen köstlich amüsierte, betrachtete die beiden Stone-Schwestern vor dem Hintergrund des endlosen Meeres.
Das würde ein großer Spaß werden.
36
I hre ganze Kindheit über hatte Chelsea in Los Angeles leben wollen. Filme und Kino hatten sie schon immer fasziniert, und ihr Vater hatte ihr vom alten Hollywood erzählt, von den Stars, den schönen Menschen, von Sonne und Palmen, dem Romanoff’s, dem Sunset Boulevard und der Vine Street …
Aber L. A. 2007 war ganz und gar nicht das L. A. von 1938, wie sie sehr schnell bemerkte. Es war ein Haifischbecken, in dem die Leute einem fröhlich lächelnd das Messer in den Rücken rammten, in dem tagtäglich Träume zertreten wurden und wo hübsche Mädchen aus Kleinstädten mit dem Traum vom Ruhm in den Nebenstraßen vom Sunset Boulevard endeten und für zehn Dollar Freier befriedigten.
Alles in allem war L. A. selbst wie ein hübsches Mädchen, fand Chelsea – ein hübsches Mädchen, das einen Tripper verschwieg. Aber Chelsea hatte bereits einiges erlebt. Diese Stadt konnte sie nicht fertigmachen.
Zumal sie entschlossen war, sich zu holen, weswegen sie gekommen war.
Zwei Tage nach ihrer Ankunft reisten Leo und Amber nach Kanada ab. Sie würden insgesamt drei Monate fortbleiben, und nachdem sie sie verabschiedet hatte, musste Chelsea sich eingestehen, dass sie erleichtert war. In Ambers Gegenwart fühlte sie sich unbehaglich, und sie wusste, dass es Amber ebenso ging, und obwohl sich beide größte Mühe gaben, fehlte etwas in ihrer Beziehung, und Chelsea wusste nicht, ob es sich je wiederherstellen ließ. Ihre Mutter war schon in Kanada gewesen, als sie angekommen war, so dass sie sie zunächst nicht sehen würde. Sie war in ihrer Rolle als Ambers De-facto-Managerin vorausgeflogen, um im Hotel nach dem Rechten zu sehen und das Team kennenzulernen, aber Chelsea fragte sich, wieso sie nicht noch zwei Tage hatte warten können, um ihre älteste Tochter zu sehen. Margaret war im vergangenen Jahr in England gewesen und hatte Chelsea besucht, und da Chelsea inzwischen die wichtigsten Theaterpreise gewonnen hatte und als beliebteste und beste junge Schauspielerin Englands bezeichnet worden war, war ihr Verhältnis deutlich entspannter gewesen.
Chelsea hatte längst aufgegeben, auf ihre Mutter zu zählen, auch wenn sie es sich vielleicht nicht eingestehen würde. Es war Derek, der sie wieder aufgerichtet hatte, aber letztendlich hatte sie sich selbst durchgeschlagen. Sie war ein Ein-Frau-Team, und so musste es bleiben. Sie konnte niemandem von ihren Alpträumen erzählen, von den Dingen, die sie in ihrem jungen Leben schon erlebt hatte, und daran war nichts zu ändern. Seit sie klein gewesen
Weitere Kostenlose Bücher