Rache
verstehst du? Ich fahre dem Lieferwagen also zum Speed-D-Mart hinterher und sehe, dass er parkt, aber nur dein Liebhaber steigt aus. Und dann sehe ich, dass du gar nicht drin sitzt. Er muss dich in der Wohnung gelassen haben. Da fange ich an, nachzudenken. Was wäre eigentlich, wenn er nicht wiederkäme? Würdest du die ganze Nacht auf ihn warten? Wo doch der Speed-D-Mart nur ein paar Blocks von der Wohnung entfernt ist. Nö, denke ich. Ich gebe dir Zeit, dann fragst du dich bestimmt, was mit ihm passiert ist. Eine Stunde, vielleicht zwei, dann kommst du angelaufen und suchst nach ihm.«
»Da hast du richtig kombiniert.«
Toby kicherte leise. »Ja, es ist genau so gekommen, wie ich gehofft habe. Der erste Teil zumindest.«
»Musstest du ihn wirklich töten ?«
»Das war das Schöne daran. Aber jetzt haben wir das Problem, wo wir seine Leiche loswerden können.«
»Wieso loswerden?«
»Ist dir noch nicht aufgefallen, dass es hier drinnen nicht gerade nach Flieder riecht?«
»Wäre es da nicht besser, wir würden den ganzen Lieferwagen loswerden?«
»Na klar doch. Genau das hätten wir tun können, wenn du mich nicht um meine Autoschlüssel gebracht hättest. Wenn wir den Lieferwagen loswerden, wie kommen wir dann heim?«
»Heim?«
»Ja, heim.«
»Du willst mich heimbringen?«
»Was denn sonst? Aber zu Fuß können wir schlecht hingehen, oder? Du hast schließlich meine Klamotten in der Wohnung eingesperrt …« Er boxte sie wieder gegen den Arm.
» Aua! Verdammte Scheiße! Würdest du wohl damit aufhören ?«
»Ich tue, was ich will. Du kannst froh sein, dass ich dich nicht abgestochen habe.«
»Wenn ich tot bin, hast du keinen Spaß mehr mit mir.«
»Bist du sicher?«
Sherry drehte ihren Kopf und sah ihn böse an.
Toby grinste. »Wenn du tot bist, fresse ich dich. Und wenn du mir blöd kommst, dann fresse ich dich, bevor du tot bist.«
Sherry spürte, wie ihr ganz kalt wurde und sich ihr innerlich alles zusammenzog.
»Ich mochte ihn«, sagte Toby.
»Wen?«
»Duane. Er hat hervorragend geschmeckt.«
Mir wird schlecht.
»Erst dachte ich, ich fresse ihm bloß die Haut von den Fingerkuppen, damit ihn niemand anhand seiner Fingerabdrücke identifizieren kann. Aber dann bin ich auf den Geschmack gekommen. Und ich habe weiter gefressen. Sein Gesicht zum Beispiel.«
»Sei still.«
Er boxte sie wieder.
»Ich habe alles Mögliche von ihm probiert. Weißt du, was mir am besten geschmeckt hat?«
Sherry biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf.
»Sein Schniedel.«
Sherry trat voll auf die Bremse. Als der Lieferwagen mit quietschenden Reifen zum Stehen gekommen war, riss sie die Tür auf und beugte sich nach draußen.
»Nein, das tust du nicht!«, schrie Toby und packte sie am Arm.
Sherry verspürte einen starken Brechreiz, aber als sie würgte und spuckte, kam nichts außer heißer, klarer Flüssigkeit, die in der Kehle brannte und ihr Tränen in die Augen trieb. Es fühlte sich an, als würde ihr jemand Herz und Lunge aus dem Leib reißen.
Toby hinter ihr lachte.
Dann sagte er: »War nur ein Scherz, das mit dem Schniedel. Meinst du wirklich, ich würde einem Typen in den Schwanz beißen? Wofür hältst du mich denn? Für einen Perversen?«
Als Sherry aufgehört hatte zu würgen, riss Toby sie am Arm zurück in den Wagen. Sherry setzte sich aufrecht hin und schloss die Tür.
»Na, hast du dich voll gekotzt?«, fragte er vergnügt.
»Nein … ich denke nicht.« Sie hatte die Wunde unterhalb ihrer Brust für einen Augenblick vergessen, aber jetzt spürte sie wieder, wie ihr das Blut über die Rippen lief. Sie blickte nach unten. Ihre Brust war entblößt. Rasch zog sie die Bluse darüber und presste den feuchten Stoff mit der linken Hand auf die Wunde.
»Fahr los, bevor noch jemand vorbeikommt«, sagte Toby.
Er hielt noch immer ihren rechten Arm.
»Dann lass meinen Arm los.«
Er ließ ihn los.
Sherry rieb sich die Tränen aus den Augen und wischte mit der Hand über Mund und Kinn, die beide nass waren.
»Jetzt fahr schon!«
Sie packte das Lenkrad mit beiden Händen und gab Gas.
»Siehst du die kleine Straße da vorn? Fahr da mal rein. Vielleicht finden wir ja ein hübsches Plätzchen für Duane.«
»Auf der Straße ?«
»Nein, in einer Mülltonne.«
20
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Sherry steuerte den Wagen in die kleine Straße. Die schmale, geteerte Fahrbahn wurde auf beiden Seiten von Betonmauern, Zäunen und den offenen Carports von Mehrfamilienhäusern gesäumt. Zu jedem der Häuser schienen
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