Rache
das nicht ansehen, sagte er sich, und trotzdem stieg er die paar Schritte den Abhang hinauf, bis er neben Jeff stand.
Mit angehaltenem Atem starrten die beiden auf die Leiche, die da direkt vor ihnen im Gras lag.
»Hat einen tollen Körperbau«, sagte Jeff.
»Hey, halts Maul.«
»Hat sie aber. Schade, dass sie so kaputt ist.«
Aus Angst, es könnte sie jemand sehen, schaute sich Pete nach allen Seiten um, konnte aber niemanden entdecken. Die dichte Vegetation schirmte sie gegen den hoch über ihren Köpfen verlaufenden Mulholland Drive ab, und im Nachbarhaus gab es kein Fenster mit Blick auf den Abhang. Außerdem war es unbewohnt und stand schon seit vielen Wochen zum Verkauf.
Pete drehte sich um und schaute über die Mauer in seinen eigenen Garten. Wäre dort jemand gestanden - zum Beispiel seine Eltern - hätte er jetzt zwar ihn und Jeff sehen können, aber nicht die nackte Leiche zu ihren Füßen.
»Ist die Luft rein?«, fragte Jeff.
»Ich glaube schon.«
»Gut«, sagte Jeff und ging neben der Leiche in die Hocke.
»Was machst du denn da?«
»Nichts«, erwiderte er, während er der Toten vorsichtig die Hand auf eine der Hinterbacken legte.
»Mein Gott, Jeff!«
»Sie ist noch warm«, sagte er.
»Das kommt von der Sonne.«
»Lass sie uns umdrehen.«
»Bist du verrückt geworden?«
»Jetzt mach schon. Hilf mir.«
»Du spinnst total.«
»Soll das heißen, dass du sie nicht anschauen möchtest?«
»Sie ist tot , Jeff!«
»Eben. Sie wird uns sicher nicht verraten.«
»Die Polizei merkt auch so, dass wir sie bewegt haben.«
»Na und? Dann sagen wir einfach, wir hätten nicht gewusst, dass sie tot ist und versucht, ihr erste Hilfe zu geben.«
»Lass uns das lieber nicht tun.«
»Aber du willst es doch, Mann. Das weiß ich. Sei doch kein solcher Feigling.«
»Es ist nicht in Ordnung.«
»Nun mach aber mal halblang. Erstens: Wen kümmert das? Zweitens: Was ist so schlimm daran, dass wir sie uns ansehen? Wem tut das weh? Jetzt steh nicht so blöd herum und hilf mir.«
»Wenn du sie umdrehen willst, musst du es alleine machen. Ich rühre sie nicht an.«
»Wie du willst.« Jeff lächelte ihn achselzuckend an. » Ich habe keine Probleme damit.« Er nahm den linken Arm der Leiche legte ihn eng an ihren Körper. »Keine Totenstarre«, sagte er. Dann kniete er sich hin, beugte sich über die Tote und stützte sich mit einer Hand in ihrem Kreuz ab, während er mit der anderen nach dem rechten Arm griff. Er hob ihn ein Stück an und ließ ihn neben der Leiche auf den Boden fallen. »Total locker«, sagte er.
»Ich kann’s nicht fassen, was du da tust«, murmelte Pete.
»Kannst du’s denn fassen, dass du dabei zusiehst?«
»Ich kann dich doch nicht mit ihr allein lassen.«
»Ha. Guter Witz!« Jeff stand wieder auf und beugte sich über die gespreizten Beine der Toten. Er packte sie an den Knöcheln und schob sie zusammen. »Das wär’s. Bist du bereit?«
»Bereit wofür?«
»Keine Ahnung. Vielleicht fallen ihr ja die Gedärme raus oder so was.«
»Großartig.«
»Ich meine ja nur. Kann doch sein, dass sie vorne eine fürchterliche Wunde hat.«
»Warum lässt du sie dann nicht einfach so liegen?«
»Weil sie nun mal hier ist, Mann.« Er drehte den Kopf und lächelte Pete an. »Bist du sicher, dass du mir nicht helfen willst?«
»Ja, bin ich.«
»Hast du Angst, sie anzufassen?«
»Ich habe keine Angst. «
»Doch, hast du.«
»Das bildest du dir ein.«
»Dann beweis es doch.«
»Leck mich.«
»Und du redest immer davon, dass du Erfahrungen machen möchtest. Wie willst du denn jemals über so etwas schreiben, wenn du nur daneben stehst und zuschaust?«
»Dafür habe ich meine Phantasie«, sagte Pete.
Aber vielleicht hatte Jeff ja doch Recht. Vielleicht sollte er die Leiche anfassen - dann würde er nicht nur wissen, wie sich eine Leiche anfühlte, sondern auch erfahren, was das in ihm auslöste.
Das bin ich meiner Kunst schuldig.
Ist ja großartig, dachte er. Damit hast du eine prima Entschuldigung für alles und jedes, egal, wie schlimm es auch sein mag.
Er stand da und schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich kriegst du nie wieder die Gelegenheit zu so was«, sagte Jeff.
»Was geht dich das an?«
»Du bist immerhin mein bester Freund. Du solltest die Chance nicht verpassen. Mann, da hast du ein Mordopfer direkt vor deiner Nase und du willst es nicht einmal anfassen ! Außerdem ist sie eine super Braut.«
»Ich rühre sie nicht an.«
»Hemingway hätte das bestimmt getan.«
»
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