Rache
Hemingway hat noch viel schlimmere Sachen gemacht. Dass ich so schreiben möchte wie er, heißt noch lange nicht, dass ich auch so sein will.«
»Mann, bist du ein Feigling«, sagte Jeff. Er stieg über die Tote und kniete sich rechts von ihr auf den Waldboden. Dann steckte er seine Hände unter Rücken und Oberschenkel und wuchtete sie so lange hoch, bis die Leiche sich drehte und auf den Rücken plumpste.
Der Ruck ließ ihren Kopf in Petes Richtung kippen, schleuderte den schlaffen rechten Arm und das rechte Bein zur Seite und ließ ihre Brüste erbeben. Sie rutschte ein paar Zentimeter den Abhang hinab, bevor sie wieder liegen blieb.
Ihre Augen waren geschlossen.
Ihre Gedärme hingen nicht heraus.
Der ganze Oberkörper war blutverschmiert, und an dem Blut klebten Grashalme und Blätter, feiner Staub und kleine Steine. Bis auf eine schmale, sichelförmige Schnittwunde unterhalb der linken Brust konnte Pete keine grö ßeren Verletzungen erkennen, dafür aber unzählige Kratzer, blaue Flecken und Abschürfungen. Ihr Körper war so zerschunden, dass Pete die wenigen Stellen, an denen helle, unverletzte Haut zu sehen war, fast unnatürlich vorkamen. Ihre Lippen waren aufgeplatzt und ihr Gesicht geschwollen, als hätte ihr jemand wieder und wieder hineingeschlagen.
Sie war ein Wrack.
Aber sie war nackt.
Man konnte alles sehen.
Jeff glotzte sie an und murmelte: »Wow.« Dann machte er einen Schritt nach hinten, ging in die Hocke und spähte ihr zwischen die Beine.
»Du bist widerlich«, sagte Pete.
Jeff beachtete ihn nicht und gab einen leisen Seufzer von sich.
»Lass das.«
»Ich würde mir das an deiner Stelle auch ansehen. Wer weiß, wann du mal wieder die Gelegenheit dazu hast.«
»Ich hebe mir das für eine lebendige Frau auf.«
»Weißt du, was ich jetzt am liebsten machen würde?«
»Nein. Und ich will es auch gar nicht wissen. Es wird Zeit, dass wir zurück ins Haus gehen und die Polizei anrufen.«
»Wozu die Eile?«
»Jetzt haben wir sie angeschaut, okay? Du hast sie sogar umgedreht. Wir haben beide Seiten von ihr gesehen und …«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Jeff.
»Stimmt. Und du fängst schon an, auf seltsame Ideen zu kommen.«
»Wenn du wüsstest, wie seltsam die sind.«
»Na los, lass uns gehen.«
»Weißt du, was wir wirklich machen sollten? Wir sollten sie abwaschen und schauen, wie sie ohne das ganze Blut und den anderen Mist aussieht.«
»Du hast sie nicht mehr alle«, sagte Pete.
»Wir könnten sie ja mit dem Schlauch abspritzen.«
Pete ertappte sich bei der Frage, ob der Gartenschlauch wohl bis hierher reichen würde. Möglicherweise schon.
»Selbst wenn der Schlauch lang genug wäre …« Pete verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht machen. Wir kriegen auch so schon Ärger genug mit der Polizei. An dem zertrampelten Gras erkennen die genau, dass wir sie uns angesehen haben. Vielleicht glauben die am Ende, dass wir etwas mit dem Mord zu tun haben. Außerdem müssten wir den Schlauch hierher schleppen und …«
»Wer sagt denn, dass die Polizei überhaupt hierher kommt?«
»Wie bitte?«
»Stell dir vor, die Leiche wird woanders entdeckt? Sagen wir mal ein paar Meilen entfernt von hier. Und zwar erst morgen?«
Pete starrte ihn verständnislos an.
»Wenn wir es richtig anstellen, kann uns keiner was.«
»Jetzt bist du komplett übergeschnappt.«
»Das ist doch total einfach, Mann. Deine Eltern kommen doch heute Nacht nicht nach Hause, oder?«
»Sie hatten es nicht vor, aber …«
»Wir könnten die Tote sauber machen, in deinem Haus verstecken und dann spät in der Nacht im Auto irgendwo hinbringen. Wir suchen uns eine einsame Straße irgendwo vor der Stadt und werfen sie dort in den Graben. Dann ist sie nicht mehr unser Problem.«
»Nein! Wenn die uns dabei erwischen, wie wir so was durchziehen, dann …«
»Wer soll uns denn erwischen, Mann? Wir sind doch hier nicht in einem Fernsehkrimi, wo immer alles aufgeklärt wird. Im wirklichen Leben ziehen die Leute ständig solche Sachen durch.«
»Die Leute vielleicht, aber wir nicht. Wir würden bestimmt erwischt. Und außerdem ist das eine total kranke Idee. Wir sollen den ganzen Tag über eine Leiche im Haus behalten, nur damit du … ja was eigentlich? Sie anschauen kannst und so?«
»Und du willst sie nicht anschauen und so ?«
»Nein!«
»Natürlich nicht. Du weißt selbst am besten, wie gern du das tun würdest. Du bis bloß zu feig dazu.«
»Ich möchte das
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