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Rache

Rache

Titel: Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Schönheit, ihre Unschuld und ihre Kraft.
    Wie gerne hätte er in einem Leser dieselbe Sehnsucht nach ihr hervorgerufen, die er in diesem Augenblick selbst verspürte.
    Der Leser sollte sich in sie verlieben.
    Und wie Pete dem Zauber dieser wundervollen, verletzten Überlebenden erliegen, die nackt unter ihrem ganz persönlichen Regenbogen saß.
    Geht nicht.
    Aber ich kann es wenigstens versuchen, dachte er.
    Dazu solltest du dir aber ein paar Notizen machen, so lange der Eindruck noch frisch ist.
    Nicht, dass ich es jemals vergessen werde.
    Schreib es trotzdem auf, sagte er sich.
    »Was machst du denn da oben?«, rief Jeff.
    »Nichts«, antwortete Pete.
    Er kletterte über den Rand der Mauer und sprang zu Boden. Dann griff er nach oben und nahm das Glas mit den Eiswürfeln.

35
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    Während er auf die Frau zuging, zog Pete den Bikini aus dem Bund seiner Badehose.
    »Was ist das denn?«, fragte Jeff.
    »Was zum Anziehen für sie.«
    Die Frau blickte nicht auf.
    Jeff sah ihn tadelnd an, sagte dann aber: »Gute Idee.« Es klang fast so, als ob er es ernst meinte. Als Pete sich der Frau näherte, bewegte er den Strahl des Schlauchs zur Seite.
    »Ich habe hier einen Bikini«, sagte Pete. »Er ist frisch gewaschen. Wir haben immer welche für Gäste im Haus.«
    Die Frau gab keine Antwort und blickte auch nicht auf. Vielleicht schaute sie auf ihre gefalteten Hände, vielleicht auf ihre Knöchel oder eine Pflanze, die direkt vor ihren gekreuzten Beinen aus dem Boden wuchs. Vielleicht starrte sie auch nur ins Leere.
    »Sie wollen doch was zum Anziehen, oder?«
    »Was - ser!«, sagte sie.
    »Habe ich auch. Oder sagen wir mal so: Ich habe Eis.« An Jeff gewandt sagte er: »Füll doch mal das Glas aus dem Schlauch.«
    »Ich hätte es ihr fast schon in den Mund gespritzt, aber ich hatte Angst, dass sie daran erstickt«, sagte Jeff. »Der Strahl ist ziemlich stark.« Er hielt den Schlauch über das Glas und ließ das Wasser hineinspritzen.
    Als es voll war, zog Pete es aus dem Strahl.
    Jeff drehte das Wasser ab.
    Ohne das Zischen aus dem Schlauch kam Pete der Morgen seltsam still vor.
    »Hast du was herausgefunden, während ich weg war?«, fragte Pete.
    »Was zum Beispiel?«
    » Irgend was.«
    »Nur, dass sie nicht sehr gesprächig ist.«
    »Hat sie dir ihren Namen gesagt?«
    »Kein einziges Wort.«
    Pete ging direkt vor der Frau in die Hocke. Sie blickte nicht auf. »Ich heiße Pete«, sagte er. »Und der Typ da drüben ist mein Freund Jeff. Wir haben Sie hier vor ein paar Minuten gefunden. Sie waren bewusstlos. Wir dachten, dass jemand Sie … dass Sie möglicherweise Opfer eines Verbrechens wurden. Ich wohne in dem Haus da hinter der Mauer. Meine Eltern sind übers Wochenende verreist, aber Jeff und ich kümmern uns um Sie. Aber nur, wenn Ihnen das recht ist.«
    Die Frau reagierte nicht.
    »Wie heißen Sie?«, fragte Pete.
    Es dauerte ein paar Sekunden, dann drehte sie den Kopf zur Seite.
    »Wie heißen Sie?«, wiederholte Pete.
    Wieder eine Kopfbewegung, die diesmal von einem leisen Stöhnen begleitet wurde.
    Pete blickte stirnrunzelnd hinüber zu Jeff und fragte: »Hast du verstanden, was sie gesagt hat?«
    »Dass es ihr wehtut, wenn sie den Kopf bewegt.«
    »Witzbold.«
    »Vielleicht weiß sie nicht mehr, wie sie heißt«, sagte Jeff. »Oder sie will es uns nicht sagen.«
    »Wissen Sie, wie Sie heißen?«, fragte Pete die Frau.
    »Wasser.«
    »Vielleicht heißt sie so«, meinte Jeff.
    »Das möchte ich bezweifeln.«
    »Oder Nasser, wie der frühere ägyptische Präsident.«
    »Wasser«, wiederholte die Frau.
    Pete hielt ihr das Glas hin. »Bitteschön«, sagte er.
    Mit einem leisen Seufzer nahm die Frau das Glas, aber sie war so schwach, dass es ihr um ein Haar entglitten wäre.
    Dabei verschüttete sie etwas von dem Wasser, und die Eiswürfel klirrten wie ein Windspiel, das von einer plötzlichen Bö erfasst wird.
    Mit viel Mühe hob die Frau das Glas an den Mund, trank aber nicht daraus.
    So vornübergebeugt, wie sie dasitzt, kann sie ja gar nicht trinken, dachte Pete.
    »Soll ich Ihnen helfen?«, fragte Pete.
    Stöhnend hob sie den Kopf und richtete ihre Augen auf Pete.
    Sie waren blassblau, aber blutunterlaufen und sahen Pete mit einer Mischung aus Schmerz und Vorsicht an.
    Die Frau senkte den Blick und konzentrierte sich auf das Glas, das sie mit beiden Händen an den Mund hob.
    Ihre Lippen waren geschwollen, aufgesprungen und blutig.
    Beim Trinken schloss sie die Augen. Sie schluckte und schluckte und hörte nicht

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