Rache
Jeff sahen sie fragend an.
Sie lehnte immer noch mit ausgestreckten Armen an der Wand. »Nein. Nicht ins Kra … Krankenhaus.«
»Aber Sie müssen in ein Krankenhaus.«
»Nein, muss sie nicht«, sagte Jeff.
»Aber sie ist schwer verletzt.«
Cherry machte einen Schritt auf die Mauer zu, sodass ihr Oberkörper gerade war. Dann ließ sie die Arme sinken und drehte sich, nachdem sie einen Augenblick lang mit gesenktem Kopf bewegungslos dagestanden war, ganz langsam zu den beiden Jungen um. Auf Pete machte sie dabei einen so wackeligen Eindruck, dass er die Arme hob, um sie gegebenenfalls auffangen zu können. Aber sie hielt sich auf den Beinen und drehte sich im Zeitlupentempo so lange, bis sie ihm direkt gegenüberstand. Und dann sagte sie: »Es geht mir … gut.«
Jeff stieß einen kurzen, scharfen Lacher aus, entschuldigte sich aber gleich dafür, als Pete ihn tadelnd ansah.
»Ich glaube nicht, dass es Ihnen gut geht«, sagt Pete an Cherry gewandt. »Sie sind doch völlig fertig.«
»Immerhin kann sie alleine stehen«, gab Jeff zu bedenken.
»Stimmt. Aber ansonsten könnte sie sich für eine Hauptrolle in Nacht der lebenden Toten bewerben.«
»Bin … nicht … tot«, sagte Cherry.
Sei dir da mal nicht so sicher, dachte Pete.
Irgendetwas in seinem Gesicht musste Cherry seine Gedanken verraten haben, denn sie sagte: »Wirklich … nicht.«
Pete zwang sich zu einem Lachen.
»Aber sicher. Das weiß ich doch.«
Jeff sagte grinsend: »Lebende Tote sind doch Quatsch.«
»Weiß ich.«
»Siehst du, wie sie atmet? Sie fühlt sich warm an, und Herzschlag hat sie auch.«
Cherry drehte den Kopf ein wenig in Jeffs Richtung und sagte: »Danke.«
»Außerdem ist sie wunderschön. Und tapfer.«
Cherry stöhnte auf.
»Ich meine das ernst!«
»Aber Sie sehen wirklich aus wie ein Wrack«, sagte Pete. »Vielleicht haben Sie innere Verletzungen, die operiert werden müssen.«
»Nein«, sagte sie.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Sie will nicht ins Krankenhaus«, sagte Jeff. »Warum belassen wir es nicht einfach dabei?«
»Weil wir für sie verantwortlich sind.«
»Nein, das sind wir nicht. Wir sind ja noch nicht einmal erwachsen. Aber sie ist es, und deshalb kann sie für sich selbst entscheiden. Und wenn sie nicht ins Krankenhaus will, können wir sie nicht zwingen. Vielleicht hat sie ja gute Gründe dafür.«
»Dann nenn mir mal einen.«
»Vielleicht hat sie keine Krankenversicherung und kann sich die Behandlung nicht leisten.«
»Trotzdem muss sie …«
»Oder sie gehört einer Sekte an, die medizinische Behandlung ablehnt. Zeugen Jehovas oder so. Diese Leute sterben lieber, als das sie etwas gegen ihren Glauben tun.«
Cherry sah Pete in die Augen und nickte.
»Ihre Religion verbietet es Ihnen, in ein Krankenhaus zu gehen?«, fragte Pete.
Sie nickte mit mehr Nachdruck, was ihr aber Schmerz zu bereiten schien. Sie verzog das Gesicht und hörte auf.
»Okay«, sagte Pete. »Dann also kein Krankenhaus. Aber was tun wir stattdessen? Sollen wir jemanden für Sie anrufen? Sie irgendwo hinbringen? Wir tun alles, was Sie wollen.«
»Ins … Haus.«
»Sie wollen zu mir ins Haus?«
»Ja.«
»Okay«, sagte Pete und konnte sich ein zufriedenes Lächeln gerade noch verkneifen. »Das ist gut.«
Gut?, dachte er. Das ist nicht gut.
Das ist fantastisch, verdammt noch mal!
Halt dich zurück, Pete, sagte er sich. Diese Frau hat furchtbare Dinge durchgemacht. Da hast du kein Recht, dich über irgendwas zu freuen, was mit ihrem Zustand zu tun hat.
»Ich glaube nicht, dass Sie es über die Mauer schaffen«, sagte er. »Wir müssen also außen um das Grundstück herumgehen.«
»Das ist ziemlich weit«, sagte Jeff.
»Aber sie kann doch nicht über die Mauer klettern.«
»Versuchen«, sagte sie.
»Unmöglich. Am Ende fallen Sie herunter und brechen sich noch wirklich was.«
»Er hat Recht«, sagte Jeff und fügte, an Pete gewandt, hinzu: »Können wir nicht eine Leiter holen?«
»Sie kann sich doch kaum auf den Beinen halten. Wie soll sie da eine Leiter hochklettern?«
»Dann müssen wir sie eben wieder stützen wie vorhin.«
»Aber hier hinten können wir nicht zu dritt nebeneinander gehen«, gab Pete zu bedenken. »Der Weg an der Mauer ist zu schmal dafür.«
»Dann kann eben immer nur einer von uns sie stützen.«
»Ich … geh … allein …«, ächzte Cherry.
»Aber es ist wirklich weit. «
»Das … schaff … ich.«
»Wirklich?«, fragte Pete.
»Versuch’s«, sagte sie.
»Ich gehe
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