Racheakt
nicht mehr zu hören. Sie hatte das Foto fest an sich gedrückt.
»Ich bin ein Opfer schöner Frauen. Wie ein roter Faden zieht sich das durch mein gesamtes Leben. Bei Bewerbungen, bei Vorstellungsgesprächen – immer bekommen die Schönen den Zuschlag. Innere Schönheit oder Intelligenz zählen nicht. Schließlich treffen in der Regel Männer die Einstellungsentscheidungen. Aber ich will dir sagen, was richtig schlimm ist: Wenn dich der männliche Abschaum hinter einen Busch zerrt und dann laut schreiend davonläuft, weil du sogar ihm zu hässlich bist!«
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Ich glaube, ich habe von Anfang an geahnt, dass ich mich am Ende dieser Mission werde opfern müssen. Die Menschheit ist dumpf und hat die Fähigkeit verloren wenigstens den Saum des Lichts erkennen zu können. Oberflächlich wie sie sind, sehen sie nur mit den Augen – ihre Seelen sind blind, ohne jeden Sehrest.
Aber so ging es den Erleuchteten durch all die Jahrhunderte. Ohne die Evangelisten, die ihnen die ganze Geschichte erklärten, würden sie wahrscheinlich noch heute weder das Opfer Gottes noch ihre Erlösung begreifen.
Wenn ich mir diesen geifernden, hysterischen Abschaum so betrachte, der jetzt fanatisch meinen Kopf fordert, frage ich mich, ob sie es überhaupt wert sind erleuchtet zu werden. Aber vielleicht haben sich das die Propheten und Künder früherer Tage auch gefragt – und wie viele von ihnen starben unverstanden!
Dieses Schicksal werde ich nicht mit ihnen teilen!
Ich werde dafür sorgen, dass sie begreifen!
Sie werden keine weitere Chance mehr bekommen. Vielleicht ist es wirklich dumm gewesen, mich nur auf die Frau zu beschränken. Immer deutlicher erkenne ich nun, dass die Männer in all ihrer behäbigen Dummheit auch Schuld an der Situation haben. Sie wollen nur die Schönen und sehen nie die Klugen. Wenn ich nur die Frauen strafe, bleiben die ungeschoren, die eiskalt Nutznießer der Lage sind. Sich eben auf die Schönen beschränken können und das auch gerne tun. Sie müssen auch gezwungen werden ihren Blick auf die anderen zu richten. Soll ihre geistige Beschränktheit sie weiter vor Strafe schützen?
Das Mädchen hat möglicherweise gar nicht so Unrecht. Wenn ich noch einen Mann in mein Ende mitnehmen kann, so werde ich das vielleicht sogar tun. Es kommt nicht mehr darauf an! Und wenn es den Menschen meine Mission verständlicher macht – gut, dann soll es so sein.
Meine Einladung zum Spiel scheint angekommen zu sein. Offensichtlich haben sie eingesehen, dass sie sich nicht entziehen können. Des Kommissars Töchterlein ist mir nicht wirklich schön genug – aber diesmal konnte ich nicht wählerisch sein.
Alles ist bestens vorbereitet, mein Abgang wird spektakulär – Welt, erwarte mein Fanal!
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»Was haben wir?«
»Leider haben wir die Stelle im Wald noch nicht gefunden. Hier klingelt laufend das Telefon, aber wenn die Kollegen hinfahren, ist es nicht der richtige Platz.«
»Wir haben die Zahl der Streifen erhöht, die durch die Straßen gehen. Zum einen wollen wir Präsenz zeigen, zum anderen hoffen wir, die Täterin in ihren Aktionen einzuschränken.«
Noch in der letzten Nacht hatten sie nach alten Fällen gesucht, in denen schöne Frauen eine Rolle gespielt haben konnten: Vergewaltigungen, bei denen die Opfer den schönen und freizügigen Frauen die Schuld gaben und behaupteten, sie würden die Männer so erregen, dass sie dann über andere herfielen, einen Fall von Körperverletzung, bei dem eine Prostituierte von der betrogenen Ehefrau des Kunden verprügelt worden war, zwei Fälle, in denen eifersüchtige Ehefrauen den Geliebten ihrer Männer Drohbriefe geschickt hatten und vieles mehr. Den Stapel hatten sie durch drei geteilt.
»Und die Akten?«
»In meinem Stapel habe ich noch keine Verdächtige gefunden«
»Ich au net.«
»Und die Nachfrage in den Praxen? Ich war allein bei vier Therapeuten heute, aber keiner betreut eine Patientin, von der er annehmen könnte, sie ziehe mordend durch die Stadt. Wie war’s bei euch?«
»Ich habe auch im Carl – Thiem Klinikum nachgefragt und in einigen der Therapieeinrichtungen, in die Patienten zur stationären Behandlung eingewiesen werden. Du glaubst ja gar nicht, wie viele es davon gibt. Gut die Hälfte habe ich angerufen. Aber die halten sich alle bedeckt. Die meisten haben mir erklärt, sie seien auf Essstörungen und Suchtprobleme spezialisiert und könnten mir bei meinem Problem nicht weiterhelfen.«
»Un ich hab
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