Racheakt
manchmal zum Shoppen. Und sie war ganz sicher ein ausgesprochen fröhlicher Mensch. Eigentlich immer gut drauf – hatte den Kopf voller verrückter Ideen …«, seine Stimme klang rau.
»Wurde sie auch vergewaltigt?«, fragte er dann stockend und Peter Nachtigall sah, wie sich sein Körper straffte, als wolle er sich gegen die befürchtete Antwort wappnen. Seine Schultern richteten den Oberkörper auf und er legte vorsichtshalber so etwas wie männliche Härte in seinen Blick.
»Das wissen wir nicht sicher. Aber bisher gibt es keine eindeutigen Indizien dafür. Der Körper Ihrer Freundin wurde schrecklich verstümmelt – nachdem sie tot war. Sie hat nichts mehr gespürt, der Täter überfiel sie und schlug sie hart mit einem Stein gegen die Schläfe. Unser Pathologe ist sicher, dass dieser Schlag tödlich war.«
»Werden Sie den Kerl kriegen – oder wird das wieder so ein Fall, der rasch im Archiv landet?«, fragte Jens Wilde und bemühte sich um einen provozierenden Ton.
»Wir kriegen ihn.«
Anna Magdalenas Freund schien davon nicht wirklich überzeugt, denn er zog kritisch die linke Augenbraue hoch.
War diese Geste nur Pose oder hatte er tatsächlich nicht verstanden, dass er zum Kreis der Verdächtigen gehörte?
»Hat der Erkennungsdienst bei dem Mädchen die Pille gefunden?«, überlegte Albrecht Skorubski auf dem Rückweg zum Parkplatz laut. »Und wenn sie die Pille genommen hat, wieso hat sie dann die Kondome benutzt?«
»Zur Verhütung hat sie das jedenfalls nicht gebraucht. Vielleicht als Prophylaxe vor AIDS, wenn sie mit einem anderen schlief?«
»Anna mit mehreren Liebhabern? Das passt nun aber überhaupt nicht in das Bild, das wir bisher von ihr haben. Darüber weiß doch bestimmt ihre beste Freundin am ehesten Bescheid«, stellte Skorubski trocken fest.
»Die Eltern können wir ohnehin nicht befragen, die sind auf unbestimmte Zeit nicht vernehmungsfähig. Das ärztliche Gutachten liegt auf meinem Schreibtisch. Ihre Mutter wurde in die Psychiatrie gebracht und stationär aufgenommen und der Vater schluckt so starke Beruhigungsmittel, dass er nicht ansprechbar ist. Michael hat uns gerade was über den Bruder aufs Handy geschickt. Er ist vor ein paar Jahren nach Guatemala geflogen um eine Gruppe von Umweltaktivisten zu unterstützen – seither gilt er als verschollen. Man geht davon aus, dass er ermordet wurde. Seine Leiche wurde allerdings nie gefunden. Es gibt also nur diese eine Tante, die wir getroffen haben, Onkels gibt es keine, die Großeltern sind schon vor Jahren verstorben«, murmelte Nachtigall betroffen vor sich hin. »Eine sehr reduzierte Familie – Anna war der einzige Lichtblick der beiden.«
»Wir müssen die beiden auch nicht wirklich befragen. Wer weiß schon weniger über ein Mädchen in diesem Alter als die Eltern!«, bilanzierte er dann aus eigener Erfahrung. »Halten wir uns an die Freundin.«
8
»Wie hieß diese Freundin noch gleich?« Peter Nachtigall starrte angespannt durch die Windschutzscheibe auf die Straße, während sein Partner in den Unterlagen nach Name und Adresse des Mädchens suchte. Er fuhr ungern im Zwielicht und gerade im November wurde es ja schon gegen halb vier dämmrig.
Albrecht Skorubski war inzwischen in den Papieren fündig geworden.
»Laura Hellberg. Vielleicht kann uns die junge Dame ja ein bisschen über die Beziehung von Anna zu ihrem Freund erzählen. Wenn sie Streit mit ihm hatte, hat sie das doch bestimmt mit ihrer besten Freundin besprochen – oder?«
»Klar«, bestätigte Peter Nachtigall. »Jule bespricht auch immer jedes Detail mit ihrer Freundin Sofie. Die Zentrale kann mich oft genug nur übers Handy erreichen.«
»Meine beiden Söhne haben das durchaus auch fertig gebracht. Da glaubt man immer bloß die Mädchen hängen ständig am Telefon – nein! Weit gefehlt! Die Jungs müssen mit ihren »Kumpels« auch die allgemeine Ungerechtigkeit der Welt und der Lehrer oder Ausbilder im Besonderen diskutieren. Und was für haarsträubende Ideen sie dann manchmal hatten!«, Albrecht Skorubski seufzte. »Einmal habe ich zufällig mit angehört, wie sie doch tatsächlich planten ihrem Lehrer einen Sarg zu schicken – nur so, als Drohung, weil sie sich von ihm ungerecht behandelt fühlten. Als Maik mit dem Plan ankam, da bin ich beinahe geplatzt vor Entrüstung. Harte Zeit für Eltern, die Pubertät.«
»Und dieser Liebeskummer immerzu. Wer geht mit wem, wer hat wem den Laufpass gegeben – und wenn ich dann frage, warum
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