Racheakt
großformatige Bilder mit abstrakten Formen in kräftigen Farben. Der junge Mann im Designeranzug und mit gegelten Haaren war Juniorchef einer Firma für Bürodesign. Artig bot er Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski an, auf einer weißen Ledercouch in der Ecke Platz zu nehmen.
»Ich habe Sie schon erwartet. Annas Vater hat mich gestern Nacht noch angerufen.« Er warf den beiden Ermittlern einen herausfordernden Blick zu. »Ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der ihr das angetan haben könnte.« Er putzte sich die Nase und wischte sich mit einer verlegenen Geste über die Augen.
Trotz dieses überdimensionierten Büros und seines gestylten Outfits wirkte er auf Peter Nachtigall noch sehr unreif, fast kindlich. In der Weite des unpersönlichen Büros ein wenig verloren. Es schien, als wüsste er mit seinem Schmerz nicht umzugehen, seine Tränen waren ihm peinlich und seine Bewegungen waren ungelenk und eckig, als müsse er immer kurz innehalten, um den Ablauf zu überlegen. Dieser große Junge, der seine Freundin auf so schreckliche Weise verloren hatte, tat ihm leid.
»Seit wann kannten Sie Anna Magdalena denn schon?«
Jens Wilde schluckte, räusperte sich. »Wir sind – waren – schon seit zwei Jahren zusammen.«
»Erzählen Sie uns ein bisschen von Ihrer Freundin – wir versuchen uns ein Bild von ihr zu machen«, ermunterte Peter Nachtigall den jungen Mann.
»Wir haben uns auf der Wintereisbahn kennen gelernt, auf dem Galeria-Parkplatz – wie das eben so geht. Ich bin nicht besonders geschickt im Eislaufen und da habe ich sie aus Versehen umgefahren. Zur Entschuldigung habe ich sie später auf einen Glühwein eingeladen. Sie nahm die Entschuldigung gnädig an und so kam die Beziehung in Gang«, Jens Wilde zuckte mit den Schultern und für einen Moment umspielte ein versonnenes Lächeln seine Lippen, das ihn viel sympathischer aussehen ließ, als seine coole Selbstbewusstseinsmaske.
»Hat sie sich danach bei Ihnen gemeldet oder ging die Vertiefung der Beziehung von Ihnen aus? Der Altersunterschied ist doch recht groß?«
Dabei sah Peter Nachtigall den jungen Mann nachdenklich an. Im Yuppieanzug sah er nicht halb so erotisch aus wie auf den Urlaubsfotos in Annas Zimmer. Was hatte sie bei ihm gesucht: Die Sicherheit, in finanzieller Unabhängigkeit von ihren Eltern leben zu können, das Erwachsensein an der Seite eines erfolgreichen Jungunternehmers – oder war ihr doch der braun gebrannte Urlaubstyp lieber, der auch für Abenteuer und Leichtsinn stand?
»Sie rief mich an. Natürlich war ich mir auch darüber im Klaren, dass sie noch minderjährig und immerhin sieben Jahre jünger war als ich. Im Grunde konnte die Initiative da kaum von mir ausgehen, oder? Sie bot mir eine Trainerinnenstunde im Schlittschuhlaufen an und ich war einverstanden.«
»Sie waren einverstanden – das klingt aber nicht gerade nach der Liebe auf den ersten Blick, Romantik und Kerzenschein«, Peter Nachtigall sah den Freund des Opfers kritisch an.
»Na, ja. Sie war mir schon gleich sehr sympathisch. Aber von Liebe auf den ersten Blick habe ich ja auch nichts gesagt.« Nachdenklich runzelte er die Stirn. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Vielleicht sah die Sache von ihrer Seite aus anders aus«, räumte er dann leise ein. »Ich glaube, sie war vom ersten Moment an richtig in mich verknallt.«
»Und wie ging es danach weiter?«
»Wir trafen uns regelmäßig zur Disco und zum Kino und bald kam sie auch in meine Wohnung.«
»Sie haben miteinander geschlafen?« Peter Nachtigall war für klare Verhältnisse: direkte Fragen und Antworten. Alles andere kostete schließlich nur unnötig Zeit. Zeit, in der ein Mörder frei in der Stadt herumlief.
Jens Wilde wand sich ein wenig. »Zunächst nicht. Sie wollte keine Pille nehmen und mir war die Sache dadurch zu gefährlich. Außerdem wusste ich, dass es für sie das erste Mal sein würde und ich wollte ihr die Wahl des Zeitpunkts überlassen. Aber lang hat es nicht gedauert und … ja, wir haben miteinander geschlafen.«
»Sie verwendeten Kondome?«
»Nein! Natürlich nicht! Sie war bei ihrer Gynäkologin und die hatte ihr die Pille verschrieben. Sicher ist sicher.«
»War Anna ein fröhliches Mädchen? Hatte sie Freundinnen, mit denen sie sich regelmäßig traf?«, fragte Peter Nachtigall weiter.
Sichtlich erleichtert, nun nicht mehr zum Thema Sexualität Auskunft geben zu müssen, antwortete Jens Wilde:
»Klar hatte sie eine Freundin. Mit der ging sie
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