Racheakt
Erlebnis des Scheiterns könnte er wieder den Frauen anlasten und so würde es sich problemlos in seine verworrene Welt einordnen lassen. Letztlich bleibt er vielleicht in jeder Beziehung unbefriedigt – Spermaspuren haben wir ja auch bei keinem der Opfer finden können.«
Peter Nachtigall starrte die Puppen an.
»Und der Apfel?«
»Der Apfel ist bestimmt sein stärkstes Symbol. Er will uns mit all seinen Aktionen etwas mitteilen – wir können ihn nur noch nicht verstehen. Und der Apfel steht bestimmt für Fruchtbarkeit. Das würde auch zum bisherigen Profil passen – er hält seine fruchtbare Mutter für schuldig an seinem Schicksal – er ist die Frucht aus ihrem Leib.«
Peter Nachtigall wiegte den Kopf.
Die Puppe war der Plan, dem der Täter folgte.
Ihm grauste.
Er sah plötzlich einen Mann vor sich, der am Frühstückstisch saß, eine Tasse dampfenden Kaffee neben sich, der entschlossen mit einer stumpfen Schere die Haare der Puppe abschnitt, die er in der Hand hielt. Die Strähnen fielen neben seinen Teller, auf dem ein frisches Brötchen mit Marmelade wartete. Die Tageszeitung lag aufgeschlagen daneben und während der Mörder die Schlagzeilen studierte, die sich im Misserfolg der Polizei sonnten, betrachtete er träumerisch den nackten Körper der Puppe und überlegte, wo er diesmal seine Verstümmelungen anbringen wollte und diese Bereiche dann mit dem quietschenden Stift markierte. Er zog unwillkürlich schützend die Schultern hoch.
Michael Wiener stürmte in seine Überlegungen, als er schwungvoll die Tür zum Büro aufriss.
»Nanu! Ich dachte, ihr seid schon alle in den Feierabend entflohen! Gibt’s denn was Neues?«, begrüßte Peter Nachtigall dankbar den jungen Mann, der ihn aus seinen Fantasien befreit hatte.
»Nichts Neues. Der Laborant im Fotolabor meint, mit den Bildern aus der Patho könnte er nichts anfangen. Selbst bei maximaler Retusche wird er kein Gesicht hinkriegen, das jemand wieder erkennen könnte. Aber er kennt einen Computerfreak, der ein neues Programm entwickelt hat und will noch heute Nacht mit ihm gemeinsam versuchen das Bild am Computer zu überarbeiten. – Und was heißt hier Feierabend? Meine Freundin hat heute ihre Lerngruppe zu uns eingeladen. Da gibt es wohl erst morgen Entspannung. Bleibt zu hoffen, dass das Wochenende ruhig bleibt.«
»Ich glaube, das hoffen wir alle«, Couvier erhob sich und nickte den beiden Ermittlern zu.
»Ach – ich hole jetzt Jule ab und gehe mit ihr ins Glad-House. Da ist heute ein Mia Konzert. In Ordnung?«
»Ja – was soll ich denn sonst sagen? Als Vater habe ich schlechte Karten, was das Belehren meiner Tochter angeht – oder das Verbieten von Konzertbesuchen.«
Wütend starrte er den Mitarbeiter des LKA an. Es war unfair, einen Vater in so eine Lage zu bringen. Und völlig unerwartet drängte sich der Fall wieder in sein Denken.
»Wisst ihr was – ich glaube, die Puppe am Tatort gehört gar nicht wirklich zu dem Opfer, bei dem wir sie gefunden haben. Könnte es denn nicht sein, dass er uns mit der Puppe zeigen will, was er für das nächste Mal plant?«
35
10. November
»Wir kennen nun die Identität der Mädchen. Das ist ein guter Ausgangspunkt. Also, was haben wir?«, begann Nachtigall die Teambesprechung.
»Ja – wir konntet elle drei sicher identifiziere. Wobei natürlich bei seinem letschten Opfer größere Schwierigkeiten bestande«, begann Michael Wiener umständlich seine Erklärung. Dabei schob er einen Papierstapel vor sich auf dem Tisch von links nach rechts und wieder zurück, klopfte mit beiden Händen seitlich dagegen um etwaige Ausreißer wieder ordentlich einzufügen.
Nachtigall sah ihm genervt dabei zu. Ob Jule wohl inzwischen bei Tante Erna war? Sie hatte versprochen sie zu besuchen – und die paar Wochen bis zum Umzug zu Sabine würden sie nun auch noch überstehen. Hoffte er.
Wiener hatte sich wieder im Griff, was an seiner Sprache zu erkennen war.
»Der Computerfreak hat wirklich ein gutes Bild erstellt. Ich habe das nur einige Male zeigen müssen, da hinten am Bootshaus und am Planetarium und schon hat jemand das Mädchen erkannt. Bianca Weiß, Studentin an der BTU, wohnt an der Wehrpromenade.«
»Allerdings haben wir im direkten Umfeld der Mädchen keine Verbindung finden können, die dafür spricht, dass sie sich etwa gekannt hätten. Natürlich ist eine zufällige Begegnung in der Disco oder so immer denkbar«, Albrecht Skorubski schniefte und suchte hektisch nach
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