Racheakt
trennen, schleiche ich einer hinterher. Es ist wie Fieber – nur viel, viel schöner. Und dieses Geräusch, wenn Sie mit dem Messer durch die oberste Hautschicht durchstoßen. Es klingt ein bisschen so, als würden Sie einen guten Reißverschluss hochziehen. Die Klinge gleitet dann willig in den Körper hinein. So kann man ganz leicht Stücke abtrennen – Brüste zum Beispiel. Bei Fingern und Zehen entstehen normalerweise auch keine Probleme – aber da braucht man dann schon ein gutes Messer. Als ich bei dem jungen Mann aus dem Bierkeller den Oberschenkel durchtrennt habe, hatte ich natürlich eine Säge. Ich mach das gerne von Hand – aber ich kenne hier drinnen auch ein paar Jungs, die machen das elektrisch. Wo bleibt da der Spaß, frage ich mich.«
»Erinnern Sie sich häufig an diese Gefühle oder erzählen Sie mir nur von ausnahmsweise und eher selten auftretenden Erinnerungen?«
»Hier ist ja nichts los. Da denke ich viel daran.«
»Sind Sie sich im Klaren darüber, dass ich keine günstige Verlaufsprognose für Sie abgeben kann, solange Sie so begeistert vom Töten erzählen?«
»Ja. Wenn ich töte, bin ich Gott. Und wer einmal Gott war, der möchte es immer wieder sein. Plötzlich bist du nicht mehr der schleimige Stiefellecker – nein! Du bist der Allmächtige. Und wenn Sie dann winseln und um ihr kleines nutzloses Leben betteln, dann haben auch sie es erkannt. Mich dürft ihr nie wieder rauslassen. Gott in mir wartet nur darauf«, wisperte er ihr eindringlich zu.
Sie hatte ihn nachdenklich angesehen und dann ihre Notiz dreimal dick unterstrichen: Sicherheitsverwahrung, keine Lockerung!
38
»Was haben wir?«
»Diese Verstümmelungen nehmen von Mord zu Mord zu, das bedeutet ein Anwachsen seines Aggressionspotenzials. Die am Tatort hinterlassenen Puppen scheinen tatsächlich eine Ankündigung des nächsten Mordes zu sein – da stimme ich mit Ihnen völlig überein. Er hat demnach bei der Ausführung der einen Tat immer schon die Planung der nächsten abgeschlossen. Der Täter leidet unter einer sexuellen Deviation, ist offensichtlich einsam. Er hat keinen ständigen Lebenspartner, weiß um seine Andersartigkeit, und ist bemüht sie hinter einer passenden Maske vor den neugierigen Blicken seiner Mitmenschen zu verbergen. Dem steht ein gewisses Geltungsstreben gegenüber. Er will seine Taten gewürdigt sehen und schickt deshalb eine Mail an die Zeitung. Da wir beschlossen haben den Druck nicht zu genehmigen, wird er verärgert sein und auf einen Weg sinnen, doch noch die Aufmerksamkeit auf seine Mission zu lenken. Er wird versuchen mit uns Kontakt aufzunehmen.«
»Und welchen Weg wird er wählen? Was vermuten Sie?«
»Ich glaube, er wird es entweder erneut über die Zeitung probieren – oder er versucht es diesmal über Lausitz TV. Vielleicht nimmt er es der Zeitung ja übel, dass sie nichts gebracht hat.«
»Wir haben noch immer nicht die geringste Vorstellung von dem Täter, den wir da jagen«, bemängelte Albrecht Skorubski.
»Wir müssen davon ausgehen, dass er völlig unauffällig mitten unter uns lebt, als freundlicher, ruhiger Nachbar. Er verfügt über ein hülsenhaftes, rudimentäres Ich, das ihm dabei hilft in der Masse unterzutauchen. Auffällig ist, dass sich seine Aggression nicht gegen einen bestimmten Frauentyp richtet – seine Opfer haben weder die gleiche Haarfarbe, noch Augenfarbe, sich haben sich modisch sehr unterschiedlich gekleidet – aber allen war eine gute Figur gegeben. Er mordet apersonal-destruktiv zum Zweck der Befriedigung seines sexuellen Triebes.«
Peter Nachtigall glaubte einen zartrosa Hauch über die Wangen des Sprechers huschen zu sehen, als sich ihre Augen bei diesen Worten trafen. Jule und Sex – die Erkenntnis traf ihn wie ein Keulenschlag. Dann schalt er sich einen Blödmann. Wozu denn sonst hatten all diese jungen Leute ständig Kondome dabei.
»Der Täter plant sein Vorgehen überaus gründlich und langfristig. Überraschungen sollen von vornherein ausgeschlossen sein. Insgesamt wirkt er auf seine Mitmenschen emotional eher flach und unbeteiligt bis stumpf. Er ist kräftig und wirkt dennoch wohl nicht beunruhigend, sonst hätten die Frauen ihre Chance zur Flucht frühzeitig ergriffen.«
»Er kann sie ja auch in jedem der Fälle überraschend angegriffen haben. Möglicherweise hat er seine Opfer auch unter einem Vorwand ein Stück begleitet.«, gab Dr. Pankratz zu bedenken.
»Möglich. Darüber haben wir ja schon gesprochen. Wenn er ihnen
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