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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Patterson
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verschafft er mir regelmäßig Plätze in der ersten Reihe hinter der Bank der Yankees, ganz in der Nähe, wo Rudy Giuliani immer sitzt. Das ist meine Form des Händewaschprinzips.
    »Hier, bitte«, sagte der Hotdog-Mann an seinem Stand.
    Er war eindeutig stolz auf seine Arbeit, als er mir ein perfektes Meisterstück aus Zwiebeln, Ketchup, Senf und Sauerkraut darbot.
    Ich nahm es in gutem Glauben, dass sich irgendwo darunter auch ein Würstchen befand.
    Nicht, dass es in diesem Moment entscheidend gewesen wäre. Ich starb beinahe vor Hunger, weil ich das Frühstück vor lauter Arbeit vergessen hatte. Der Hotdog war meine erste Mahlzeit an diesem Tag, und während ich die 33rd Street entlangmarschierte, konnte ich es kaum erwarten, das Teil zu verputzen.

    In dem Moment hörte ich einen Mann hinter mir rufen: »Hey, sind Sie nicht Nick Daniels?«
    Ich werde nur selten auf der Straße erkannt. Das passiert vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, vor allem weil mein Bild jede Woche im Citizen unter der Rubrik der externen Autoren erscheint.
    Es wäre eine Lüge zu behaupten, diese kleinen Begegnungen kitzelten mein Ego nicht, doch leider konnte der Typ den Zeitpunkt nicht schlechter gewählt haben.
    Ich wirbelte mit dem Hotdog in der Hand herum und betete, der Mann möge mir kein Ohr abkauen wegen irgendeines Artikels, den ich geschrieben hatte.
    Wie sich zeigte, wollte er gar nicht mit mir reden.
    Vor mir stand ein Hüne von einem Kerl mit einer Sonnenbrille und einem Sweatshirt der New York Knicks. Zumindest dachte ich, es wären die Knicks – das orangeblaue Logo war noch mehr verblasst als die Mannschaft in den letzten drei Jahren, seit dieser James Dolan das Ruder übernommen hatte und das Schiff untergehen ließ.
    »Ja, ich bin Nick Daniels«, antwortete ich. »Um was geht’s?«
    »In den Wagen steigen, sofort!«, verlangte er.
    Wie bitte?
    Er zuckte mit dem Kopf in Richtung eines demolierten Vans, der am Straßenrand stand. Die Seitentür stand bereits offen. Als wollte er mir etwas mehr Mut machen, hob er sein Sweatshirt an der Seite an. Darunter steckte eine Pistole zwischen seiner Hose und seinem dicken Bauch.
    Ich erstarrte. Ist das wirklich wahr, was hier passiert? Hier am helllichten Tag?
    Mist, ja, es passierte wirklich.
    Um eventuelle weitere Zweifel zu zerstreuen, schlug der
Kerl mir meinen Hotdog aus der Hand. Zwiebeln, Ketchup, Senf und Sauerkraut landeten – platsch! – auf dem Bürgersteig.
    Und so gab es eine weitere hässliche, klebrige Schweinerei mitten in Manhattan.
    Mich.

33
    Das war’s dann, dachte ich. So also werde ich sterben. Was für eine Ironie!
    Nicht während der Flucht vor einem Angriff der Dschandschawid in Darfur, nicht durch Typhus, den ich mir ein paar Jahre zuvor in Indien eingefangen hatte, als ich für einen Artikel über Mammohan Singh, den Premierminister, dorthin gereist war.
    Nein, ich sterbe in meinem eigenen Revier, in New York City. Und das nur wegen einer Aufnahme, die ich nie hatte machen wollen.
    Gott, wie hatte Eddie Pinero die Sache mit mir so schnell herausfinden können? Aber war ich wirklich überrascht? Wahrscheinlich standen mehr Leute auf seiner Gehaltsliste als auf der des NYPD.
    »Wohin bringt ihr mich?«, fragte ich von der fensterlosen Ladefäche des Vans aus. Es gab keine Sitze.
    Meine Entführer mühten sich nicht mit einer Antwort ab.
    Mein Herr vom Begleitservice im Knicks-Sweatshirt saß mit fest verschlossenen Lippen seitlich auf dem Beifahrersitz, die dunkle Sonnenbrille starr auf mich gerichtet. Seit ich ihm nur widerwillig mein Mobiltelefon überlassen hatte, sprach er kein Wort mehr.
    Auch der große Fahrer schwieg. Im Profil sah er mit seinem Babygesicht kaum wie einundzwanzig aus, auch wenn auf seinem rechten Arm eine große, augenscheinlich neue Tätowierung eines Harley-Davidson-Logos prangte. Das Orange war so grell, dass die Tinte noch nass aussah.
    Wieder fragte ich mich, wohin wir fuhren, doch das beharrliche
Schweigen meiner beiden Entführer machte mir klar, dass es noch etwas Beängstigenderes gab, als von jemandem gesagt zu bekommen, man werde sterben.
    Es nicht gesagt zu bekommen.
    Zwanzig Minuten lang gab es nur meine Gedanken, die mir Beschäftigung boten, und meine Panik, die mich auffraß. Vom Boden des Vans aus konnte ich nicht durch die Windschutzscheibe blicken, doch wir hatten höchstwahrscheinlich die Stadt verlassen, weil wir mit hoher Geschwindigkeit fuhren. Die Stoßdämpfer des alten Fahrzeugs waren kaputt, so dass

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