Rachedurst
wirklich.
»Ich soll dich jetzt noch nicht töten«, sagte er.
62
Auf dem Weg zurück nach Hause hallte Zambrattas letzter Satz in meinem Kopf wie der Schuss, der Sam Tagaletto getötet hatte. Zudem beunruhigte mich, dass er gewusst hatte, wer ich war, noch bevor ich ihm meinen Namen genannt und er mir den Führerschein abgenommen hatte.
Weil er für Joseph D’zorio arbeitete.
Die Dinge verbanden sich auf eine Art miteinander, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Das war nicht gut. Menschen, die ich nicht kannte, denen ich nie zuvor begegnet war, wussten genau, wer ich war, und wollten mich tot sehen. Allerdings noch nicht gleich.
Das wäre umso mehr ein Grund für mich gewesen, direkt zur Polizei zu gehen. Doch ich tat es nicht.
Noch nicht. Ich war viel zu sehr von der Jagd nach der Wahrheit gefesselt. Dasselbe Kind, das ehrfürchtig zu Woodward und Bernstein in Die Unbestechlichen aufgeschaut hatte, war jetzt damit beschäftigt herauszufinden, was – oder vielmehr wer – mich und Dwayne Robinson an jenem blutigen Tag im Lombardo’s zusammengebracht hatte.
Wenn ich die Sache bis jetzt richtig einschätzte, hatte alles damit angefangen, dass Dwayne Robinson ein paar schlechte Wetten abgeschlossen und Geld verloren hatte, das er nicht besaß. Er hatte Sam Tagaletto Geld geschuldet, doch Tagaletto war nur der Mittelsmann zwischen Dwayne und Joseph D’zorio gewesen. Nachdem zwei Schecks geplatzt waren, hätte D’zorio ihm die Arme brechen oder ihn auf dem Boden des Hudson River versenken können.
Doch D’zorio war nicht zum Mafiaboss aufgestiegen, nur weil er seine Muskeln spielen ließ. Er war schlau und hinterlistig. Spielte Schach, nicht nur Dame. Also war ihm etwas Besseres eingefallen, womit Dwayne seine Schulden begleichen konnte. Dazu brauchte der frühere Starspieler nur sein langjähriges Schweigen zu brechen und sein Einverständnis für ein Interview in einem scheinbar zufällig ausgewählten Steakhaus mit einem glaubwürdigen Journalisten zu geben, der auf die Geschichte hereinfallen würde.
Lass den Kassettenrekorder laufen.
»Ich habe eine Nachricht von Eddie.«
D’zorio hatte Eddie Pinero also hereingelegt. Er hatte Dwayne und mich benutzt. Doch vor allem hatte er die Tatsache genutzt, dass Pinero ein Motiv haben würde, seinen langjährigen Anwalt auszuschalten.
Es war ein verdammt perfekter Plan. Die Krönung war Pineros Name auf meinem Rekorder. Natürlich war ich darauf hereingefallen. Nur weil ich meine Jacke im Lombardo’s vergessen und mit Tiffany, der Empfangsdame, gesprochen hatte, war ich misstrauisch geworden.
Und dann wurde D’zorios Plan ein bisschen zu perfekt. Zumindest für mich.
Die Frage war jetzt, ob ich meine Theorie beweisen oder zumindest jemanden, der bei der Polizei etwas zu sagen hatte, davon überzeugen konnte. Und ob ich dazu noch lange genug leben würde.
Sobald ich zu Hause war, schnappte ich mir Derrick Phalens Visitenkarte. Es war erst kurz nach zwei. Die Chancen standen gut, dass er in seinem Büro war. Dennoch hatte er mich gebeten, ihn nur auf seinem Mobiltelefon anzurufen.
Phalen meldete sich gleich nach dem ersten Klingeln, sagte aber, er müsse mich in ein paar Minuten zurückrufen. Als
er es schließlich tat, hörte ich Straßenlärm im Hintergrund. Er war offensichtlich nach draußen gegangen, um mit mir zu sprechen. War er wahnsinnig paranoid oder einfach nur wahnsinnig schlau?
»Es gibt vieles, worüber wir reden müssen«, sagte ich. »Das wird Sie vom Hocker hauen.«
»Sie wissen noch nicht einmal die Hälfte«, erwiderte er. »Was ich herausgefunden habe, wird Sie vom Hocker hauen.«
63
Phalen wollte mir seine Neuigkeiten nicht am Telefon mitteilen. »Nick, können Sie heute Abend zu mir nach Hause kommen?«, fragte er.
Soll das ein Witz sein? Klar – als könnte mich irgendwas aufhalten.
Auf dem Weg zu Derricks Wohnung am Abend rief ich Courtney an. Sie war still und zurückhaltend, so dass ich weder Thomas Ferramore noch das erwähnte, was mir am Vormittag in der Bronx passiert war. Allerdings erzählte ich ihr von meinem bevorstehenden Treffen mit Phalen. »Sei vorsichtig, Nick«, riet sie mir. »Ich will dich nicht verlieren.«
Kurz nach acht verließ ich den Henry Hudson Parkway im Riverdale-Viertel der Bronx. Die Straße, in der Phalen wohnte, lag ein paar Blocks östlich und wurde von Sandsteingebäuden aus der Vorkriegszeit gesäumt. Würde ich mich in New York nicht auskennen, hätte ich schwören
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