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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Patterson
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wenn sie zu ihrer Schicht kamen. Statt sich abzuwechseln, wer in der Eingangshalle und wer vor meiner Wohnungstür Wache schieben sollte, losten sie es aus.
    O’Shea fing die Münze auf und wagte einen Blick. »Mist«, murmelte er unter seinem kantigen, buschigen Schnurrbart. Er hatte die Zahl erwischt.
    »Ha!«, frohlockte Brison und ging auf das bequeme Sofa in der Eingangshalle zu. Vor meiner Wohnung stand nur ein Metallklappstuhl ohne Polster. Kein weiterer Kommentar.
    Ich fuhr mit O’Shea im Fahrstuhl hinauf, ohne mir dank meiner hervorragenden schauspielerischen Fähigkeiten anmerken zu lassen, wonach mir seit der Beerdigung der Sinn stand. Ich wollte so schnell wie möglich an meinen Rechner und sehen, was auf dem USB-Stick war.
    »Hey, alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte O’Shea, der an der Fahrstuhlwand lehnte. »Sie wirken heute ein bisschen nervös. Sind Sie nervös? Ist irgendwas, Nick?«
    So viel zu meiner Schauspielerei. Offenbar war ich nicht der wiedergeborene Sir Laurence Olivier.
    »Alles in Ordnung«, wehrte ich ab. »Harter Vormittag, mehr nicht. Ich stehe nicht unbedingt auf Beerdigungen.«

    »Niemand mag Beerdigungen«, stimmte O’Shea zu. Er nickte zwar, behielt mich aber trotzdem im Auge, als würde mein Quatschometer bis in den roten Bereich ausschlagen. Mit Sicherheit hätte er das Thema weiterbeackert, wenn sich auf meiner Etage nicht die Fahrstuhltüren geöffnet hätten.
    O’Shea schob den Kopf nach draußen und spähte nach rechts und links. »Okay«, meldete er.
    Ich ging hinter ihm durch den Flur, der mit einem Teppich mit beige-weißem Wellenmuster ausgelegt war. Mir wurde regelmäßig schwindlig, wenn ich beim Gehen nach unten schaute.
    »Was haben Sie vor?«, fragte O’Shea, als wir vor meiner Wohnung standen. Ich hatte den Schlüssel herausgezogen und wollte ihn ins Schloss schieben.
    »Ach ja, ganz vergessen«, sagte ich.
    Er sah mich an wie ein tadelnder Vater. »Manchmal reicht das eine Mal aus, Nick.«
    Ich gab ihm den Schlüssel, damit er meine Wohnung inspizieren konnte, bevor ich eintrat.
    »Ich frage jetzt aus reiner Neugier«, hielt ich ihn noch auf, »aber wer bewacht mich hier im Flur, während Sie nachsehen, ob drin alles klar ist?«
    Er zögerte nicht mit der Antwort. »Deswegen ist Sam in der Eingangshalle.«
    »Aber was ist, wenn, sagen wir, jemand hinter der Tür zum Treppenhaus auf mich wartet?«
    O’Shea kicherte. Er merkte, dass ich ihn nur auf die Schippe nahm. »Möchten Sie, dass ich für Sie nachschaue?«, fragte er langsam.
    »Nein, ist schon in Ordnung.« Ich lachte. Wir mussten beide lachen. Eigentlich war O’Shea ein ziemlich anständiger
Kerl. Ich mochte ihn, ebenso wie seinen Partner. Hey, immerhin versuchten sie mich am Leben zu halten.
    »Gut. Jetzt bleiben Sie hier.« Grinsend schloss er die Wohnungstür auf. »Versuchen Sie, nicht in Schwierigkeiten zu geraten.«

79
    Die Sekunden schlichen dahin. Ich wünschte, ich hätte wieder in mein altes Leben zurückkehren können, dass nichts von dem hier passiert wäre. Außer vielleicht, dass sich Courtney von Ferramore getrennt hatte.
    »Plündern Sie ja nicht meinen Kühlschrank!«, rief ich O’Shea vom Flur aus zu.
    Ich hatte seit drei Tagen nur Essen zum Mitnehmen gehabt. Mit all den Behältern von chinesischem, japanischem, mexikanischem und italienischem Essen beherbergte ich in meiner Wohnung die Vereinten Nationen der Reste.
    »Hey, haben Sie mich gehört?«, fragte ich.
    O’Shea überprüfte meine Wohnung bereits eine Minute lang, etwa eine halbe Minute länger, als er oder Brison sonst für meine hundert Quadratmeter große Zweizimmerwohnung brauchte.
    Ein unangenehmes Gefühl machte sich plötzlich in mir breit, und meine Gedanken begannen sich zu überschlagen.
    Automatisch trat ich einen Schritt vor, um in die Wohnung zu schielen, doch ich besann mich eines Besseren. Das war schließlich das Letzte, das ich tun sollte.
    Stattdessen blickte ich auf meine gestreifte Krawatte hinab und zog sie zur Seite. Selbst unter meinem Anzughemd war der Umriss des Notfallknopfes, der an dem Schnürsenkel um meinen Hals hing, nicht zu übersehen.
    Scheiße, was soll ich tun? Drücke ich drauf? Nein, noch nicht.
    »Kevin?«, rief ich diesmal lauter. Keine Witze mehr über
meinen Kühlschrank. »Alles in Ordnung da drin? Hey, Kevin?«
    Keine Reaktion. Ich hörte nichts, absolut nichts. Meine Wohnung, der Flur – mucksmäuschenstill.
    Dann, endlich – Gott sei Dank! – antwortete er mir.
    »Ja,

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