Rachedurst
das Ding um und blickte an mir hinab. Der Panikknopf, in angemessen leuchtendem Rot, hatte die Größe einer Münze und hing direkt vor meiner Brust.
»Sieht mehr wie ein Zielpunkt aus«, witzelte ich. Scheinbar war ich nicht der Erste.
»Ja, das kriegen wir oft zu hören«, erwiderte Brison.
Er erklärte, dass ständig ein Beamter vor meiner Tür stehen und der andere alle Türen im Erdgeschoss sichern und sich dann in der Eingangshalle aufhalten würde. Besucher der Sorte, die mich nicht töten wollten, sollten ausnahmslos zuerst vom Portier und den Polizisten, dann von mir die Genehmigung zum Zutritt erhalten.
»Noch Fragen, Mr. Daniels?«
»Was ist, wenn ich ausgehen will?«
»Wohin, zum Beispiel?«, fragte O’Shea mit zusammengekniffenen Augen.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ins Kino oder so.«
»Ins Kino? Haben Sie gerade Kino gesagt? Ich glaube, Sie haben nicht begriffen, in welcher Gefahr Sie stecken.«
»Es war nur ein Beispiel.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Sie gehen weder ins Kino noch sonst wohin. Vorläufig ist dies der Ort, an dem Sie bleiben müssen. Sicher und geschützt in Ihrer Wohnung.«
»Gut, dann noch eine Frage: Wie lange ist ›vorläufig‹?«
»Bis Ihnen was anderes gesagt wird.«
Na, damit ist ja alles klar …
Die beiden Polizisten wandten sich zur Tür. Es gab wirklich nichts mehr zu sagen. Trotzdem konnte ich mich nicht zurückhalten.
»Seien Sie vorsichtig«, sagte ich.
Das meinte ich ehrlich. Doch ich verstand, wie grotesk es sich für die beiden angehört haben musste. Sie blickten zuerst einander, dann mich an.
»Werden wir«, sagte Brison beiläufig.
»Nein, das meine ich ernst«, beharrte ich. »Es ist komisch, wie viele Menschen um mich herum derzeit sterben.«
75
Wenn ich mich je gefragt hatte, wie es sich anfühlte, unter Hausarrest zu stehen, hatte ich jetzt die Antwort. Das Problem war, ich hatte mich das nie gefragt. Aus gutem Grund.
Es fühlte sich beschissen an!
Nach ein paar Stunden kam mir der Schuhkarton, als den ich meine Wohnung immer beschrieb, wie eine Streichholzschachtel vor. Die Wände rückten immer näher.
Ich hatte bis zum Nachmittag meinen Computerbildschirm angestarrt. Courtney hatte recht: Ich lebte sprichwörtlich in der Geschichte meines Lebens. Jetzt musste ich anfangen, sie aufzuschreiben.
Aber warum konnte ich das nicht?
Vielleicht, weil ich nicht wusste, ob ich lange genug leben würde, um sie zu Ende zu schreiben.
Vor zehn Jahren hatte ich einen langen Artikel über Salman Rushdie geschrieben, als sein Leben infolge einer Fatwa auf dem Spiel stand. Ich hatte ihn gefragt, wie es sich anfühlte zu wissen, dass Menschen es auf sein Leben abgesehen hatten und hohe Belohnungen auf ihn ausgesetzt waren, ob tot oder noch toter. Seine Antwort? Es gibt einige Gefühle, für die Worte völlig sinnlos sind. Und man erinnere sich, Salman Rushdie ist ein verdammt guter Autor, der offensichtlich über das Thema Todesdrohungen umfassend recherchiert hat.
Während ich so meinen leeren Bildschirm anblickte, verstand ich voll und ganz, was er gemeint hatte. Ein wunder Punkt war zudem, dass ich zwar den Artikel schreiben konnte,
es aber keinen Citizen mehr gab, der ihn veröffentlichen würde. Falls ich das vergessen haben sollte, brauchte ich nur den Fernseher einzuschalten.
So viel zum Fernsehen als Ablenkung.
»… zu diesem Thema schalten wir jetzt zu Brenda Evans, die vor dem Citizen -Verlag steht.«
Da war sie, die »Bulle-und-Bär-Mieze«, meine Exfreundin, die für ihren Sender über Thomas Ferramores »überraschende Ankündigung« berichtete, er werde den Citizen einstellen.
»Überraschend, natürlich«, sagte Brenda, die das Mikrofon hielt, als trüge sie einen ihrer Emmy Awards als beste Nachrichten-Redakteurin vor sich her, »weil der Citizen für Mr. Ferramore ein einträgliches Geschäft war. Verkaufen wäre eine Möglichkeit, aber einstellen?«
Ich kannte Brenda lange genug, um zu wissen, was als Nächstes kam. Der Schimmer in ihren Augen. Der leicht geneigte Kopf. Es war Zeit zum Tratschen.
»Es grassieren Gerüchte«, fuhr sie fort, »diesen Schritt gehe Ferramore lediglich aus Gehässigkeit, nachdem seine Verlobung mit der Chefredakteurin und treibenden Kraft beim Citizen, Courtney Sheppard, geplatzt ist. Es gab bisher von keiner Seite eine offizielle Stellungnahme, doch laut meiner Quellen hat die Verlobung ein sehr, sehr böses Ende genommen.«
Klick!
Ich hatte genug gesehen und gehört. Nicht nur
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