Rachedurst
Arlen und Joe Pickett auf einen Schlag heimzuzahlen.
Es regnete noch immer.
26. KAPITEL
Joe stand früh genug auf, um eine Begegnung mit Missy in ihrer Küche zu vermeiden, setzte Kaffee auf, duschte und war gerade dabei, sich das Uniformhemd anzuziehen, als Marybeth fragte: »Joe ⦠Darfst du das denn tragen?«
Er hielt inne und wusste für einen Moment nicht, was sie meinte. Dann fiel ihm ein, dass er gefeuert worden war und nicht mehr berechtigt war, die Uniform zu tragen. Aber er fühlte sich nicht gefeuert. Er fühlte sich ganz normal â oder doch so normal, wie man sich fühlen konnte, wenn man auf der Longbrake Ranch wohnte und am Vorabend Nate Romanowski begegnet war.
»Es wird eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.« Joe streifte das Hemd wieder ab und zog einen ausgeleierten Kapuzenpulli mit dem Aufdruck »University of Wyoming« an. »Was soll ich heute bloà machen?«, fragte er dann. »Warum hab ich nicht ausgeschlafen oder so?«
Auf diese Fragen hatte Marybeth keine Antwort.
***
Nachdem er am Vorabend bei strömendem Regen von Nates Hütte zurückgekehrt war, hatten Joe und Marybeth sich mit Sheridan und Lucy zusammengesetzt und ihnen von seiner Entlassung erzählt.
Die Fragen der Mädchen waren pragmatisch, aber etwas verständnislos:
Lucy wollte wissen, ob sie also nicht länger zur Schule gehen müsse.
»Tut mir leid, Schatz«, antwortete Joe bedauernd. »Pech gehabt.«
Sheridan fragte, ob sie nun einen neuen Wagen bekämen, der die alte Klapperkiste der Jagd- und Fischereibehörde ersetzte.
»Eines Tages womöglich«, so Joe. »Doch bis dahin müssen wir uns mit dem Van begnügen und können uns vielleicht eins von Bud Longbrakes Fahrzeugen leihen.«
Lucy stellte die härteste Frage: »HeiÃt das, dass wir jetzt sicherer sind? Können wir zurück in unser altes Haus ziehen?«
Joe und Marybeth tauschten einen Blick, und Marybeth sagte: »Wir bleiben eine Weile hier, Lucy. Unser altes Haus gehört uns nicht richtig. Das hat es nie getan. Und sicherer sind wir hier vermutlich auch, stimmtâs, Joe?«
»Ja«, erwiderte er, ohne zu wissen, ob dem tatsächlich so war. Wer auch immer sie ins Visier genommen hatte, würde nun womöglich davon ablassen, doch andererseits â¦
»Ich mag unser altes Haus.« Lucy begann zu weinen, und das brach Joe fast das Herz. »Ich werde unser altes Haus vermissen ⦠«
Sheridan musterte ihn stumm, und er wünschte, sie würde damit aufhören. Sie begriff unerwartet gut, wie deprimierend es für ihn war, des Berufs beraubt zu sein, den er liebte. Er glaubte nicht, dass sie weiter darüber hinausdachte, aber es beruhigte ihn ein wenig, dass sich in ihrem Verhalten zwar Besorgnis um seine Gefühle bekundete, dass sie sich aber keine Gedanken darüber machte, was das alles für die Familie bedeutete. Noch nicht.
***
Im Bett erzählte Joe Marybeth von der Begegnung mit Nate. Ihr war bewusst, dass er genau beobachtete, wie sie darauf reagierte.
»Und wie war er?«, fragte sie.
»Splitterfasernackt.«
»Du weiÃt, was ich meine. Ging es ihm gut? Ist er bloà auf der Durchreise oder wie?«
»Darüber haben wir nicht gesprochen. Ich hab vorgeschlagen, er soll sich was anziehen, und das hat er getan. Ich weià nicht, warum er immer nackt rumläuft. Er hat sich bedankt, dass ich seine Vögel gefüttert habe. Ich hab ihm gesagt, dass eine Menge Leute nach ihm suchen, nicht zuletzt das FBI . Dann bin ich gefahren.«
Es war nicht zu übersehen, dass Marybeth tausend Fragen stellen wollte, doch Joe wollte keine Einzige davon beantworten. Er war müde und niedergeschlagen. Für das Thema Nate hatte er keine Kraft. AuÃerdem war er arbeitslos.
»Manchmal verstehe ich die Männer nicht. Wie kannst du einem Freund begegnen, den du seit einem halben Jahr nicht gesehen hast und mit dem du mehr als einmal durch die Hölle gegangen bist, und bloà Hallo sagen und nach Hause fahren?«
Joe zuckte die Achseln. »Das war ziemlich leicht.«
»Wo hat er die ganze Zeit gesteckt?«
»Das hat er nicht erzählt.«
Marybeth schüttelte ungläubig den Kopf.
»Falls du dich fragst, ob er sich nach dir erkundigt hat: Nein, hat er nicht«, erklärte er und wandte sich ab.
»Das war gemein, Joe.«
»Ich weiÃ. Tut mir leid, dass ich das
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