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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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Desinfektionstüchern, die er je gesehen hatte. Er verzog das Gesicht, als er überlegte, was sie damit wohl aufzuwischen hatte. Welche Flüssigkeiten mochten aus diesen Leuten sickern, aus diesem Abschaum? Auf einem anderen Tisch befanden sich eine große Kaffeemaschine und Türme weißer Styroporbecher. In einer Ecke stapelte sich buntes Plastikspielzeug, und im Fernsehen lief eine Spielshow. Hier ist es ja beinahe nett, dachte er. Wie in einer modernen Highschool, nur ohne Fenster.
    Ein Wärter kam mit einem Klemmbrett ins Wartezimmer.
    Â»Sie sind John Wayne Keeley?«
    Â»Jawohl.«
    Â»Und Sie wollen Wacey Hedeman besuchen?«
    Â»Jawohl.«
    Â»Folgen Sie mir.«
    ***
    Vor sechs Jahren war Wacey Hedeman durchgedreht. Bis dahin war er Jagdaufseher gewesen und hatte für die Jagd- und Fischereibehörde in Nordwyoming in der Nähe der Bighorn Mountains gearbeitet. Er war angesehen und beliebt, hatte als Rodeo-Profi und Star der Uni-Rodeo-Mannschaft Preise im Bullenreiten gewonnen und war früher Landesmeister im Ringen gewesen. Er war gesellig und ehrgeizig und trat betont selbstsicher auf. Er galt gemeinhin als »anständiger Kerl« – so ziemlich das höchste Kompliment, das man von einem Bewohner des Staates Wyoming bekommen kann.
    Aber das war, bevor ihn der Drang überkam, für das Amt des Sheriffs des Twelve Sleep County zu kandidieren. Um die Wahl zu gewinnen, brauchte er Geld und Einfluss und hatte sich darum mit seinem früheren Vorgesetzten und Förderer Vern Dunnegan eingelassen, der als Propagator einer Erdgaspipeline wieder in der Gegend aufgetaucht war. Vern war in der Lage, Wacey zu dem Amt zu verhelfen, weil er etwas gegen den amtierenden Sheriff in der Hand hatte – im Gegenzug sollte Wacey den Weg für das Pipeline-Vorhaben frei räumen und alle Hindernisse beseitigen. Dann war die ganze Sache auf eine unvorhersehbare Weise eskaliert, und am Ende hatte Wacey vier Menschen getötet und eine schwangere Frau niedergeschossen, bevor ihm das Handwerk gelegt wurde.
    Keeley hatte einiges von dieser Geschichte erzählt bekommen und den Rest darüber selbst in Erfahrung gebracht. Wacey Hedeman war zum Tod durch die Giftspritze verurteilt worden, wartete aber noch immer auf den Vollzug der Hinrichtung. Sein Komplize Vern Dunnegan saß seine Strafe im gleichen Gefängnis ab, aber als normaler Häftling, nicht im Hochsicherheitsbereich.
    ***
    Keeley wurde durch eine Tür mit der Aufschrift »Besuch ohne Körperkontakt« und über einen schmalen Flur geführt. Der Wärter öffnete eine weitere Tür, und Keeley trat in ein enges, würfelförmiges Zimmer mit Schreibtisch, am Boden festgeschraubtem Hocker, dreißig Zentimeter breitem Tresen und dicker Scheibe, durch die sich erkennen ließ, dass es auf der anderen Seite genauso aussah. Zwischen Scheibe und Tresen befand sich eine spaltbreite Öffnung, Platz genug, um Schriftstücke hindurchzuschieben. An der Wand hing ein schwarzes Telefon.
    Er setzte sich mit gespreizten Beinen auf den Hocker, legte die Hände flach auf den Tresen und beugte sich vor, bis seine Nase beinahe die Scheibe berührte.
    Die Tür des gegenüberliegenden Zimmers öffnete sich. Wacey Hedeman trat ein und sah ihn an.
    Er war kleiner, als Keeley ihn sich vorgestellt hatte. Auf den alten Zeitungsfotos, die er kannte, hatte Hedeman groß und verwegen gewirkt. Er trug nach wie vor den herabhängenden Schnurrbart der Marke Revolverheld, auch wenn er mittlerweile etwas ergraut war. Seine Schritte erinnerten an den herausfordernden Gang eines Gockels, und wie er Keeley unter den Brauen hervor ansah … Er wirkte wie jemand, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte. Einer seiner Ärmel hing schlaff herunter. Ach ja , dachte Keeley, ihm wurde der Arm weggeschossen – Idiot .
    Der Wärter hinter Wacey sagte: »Ich bin direkt vor der Tür« – Keeley konnte die Worte von seinen Lippen ablesen – , und Hedeman nickte, ohne ihn anzusehen. Der Wärter zog sich zurück, und die Tür schloss sich hinter ihm. Wacey setzte sich. Ihre durch die Scheibe getrennten Gesichter waren keinen halben Meter voneinander entfernt. Sie griffen gleichzeitig nach den Hörern.
    Â»Danke, dass Sie bereit waren, mich zu treffen«, sagte Keeley.
    Â»Haben Sie dabei, was Sie mir mitbringen wollten?«
    Keeley hob die Brauen. »Ich durfte es nicht durch die

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