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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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eröffnete das Gespräch mit der Frage: »Sie sind also der Jagdaufseher, der den Gouverneur wegen Angeln ohne Genehmigung festgenommen hat?«
    Joe nickte und befand sich bereits in der Defensive.
    Opal war klein, gepflegt, drahtig, und ihre Kleidung – verwaschene Jeans, Cowboystiefel, silberbeschlagener Gürtel, offene Jacke aus Leinen, kariertes Hemd und Seidenschal – verlieh ihr jene legere Western-Eleganz, die allein Menschen wie ihr vorbehalten schien. Sie war eine bemerkenswert selbstsichere Frau, die keine Bedenken hatte, denen, die ihre Ranch in einem Boot querten, Gebühren abzuknöpfen, und die wortlos zu verstehen gab, sie habe Joes Gegenwart im Bezirk Saddlestring bisher stillschweigend geduldet, doch ihre Zeit und Geduld seien begrenzt. Sie erläuterte ihm, wie ihr Schwiegervater und ihr Großvater die Ranch aufgebaut und gnädigerweise all die Jahre darauf verzichtet haben, den Flusslauf zu unterbrechen – und das, obwohl sie so viel davon hätten ableiten dürfen, wie es ihnen passte, um ihr Land zu bewässern, da ihnen der Erstzugriff darauf zugestanden habe. Indem sie den Fluss über Jahre erhalten hätten, so Opal, habe die Familie nicht nur dafür gesorgt, dass Saddlestring einen Trinkwasservorrat habe, sondern auch das natürliche Gleichgewicht des Tals aufrechterhalten und damit überhaupt erst ermöglicht, dass sich das geführte Forellenangeln zu einem stattlichen Erwerbszweig habe entwickeln können.
    Â»Wenn Sie so wollen«, lächelte sie, »wären Sie ohne uns gar nicht hier – und Mr. Tommy Wayman auch nicht.«
    Ohne den geringsten Anflug eines schlechten Gewissens führte sie Joe an den Fluss und beschrieb ihm den »Schlagbaum«, den sie errichten wollte. Zunächst zeigte sie auf eine gewaltige Pyramidenpappel am Ufer gegenüber.
    Â»Ich will einen Draht von dem Stamm dort übers Wasser auf meine Seite spannen. Mein Ende des Drahts verbinde ich mit einem großen Hebel, den ich jederzeit anheben und herunterlassen kann«, sagte sie und machte dabei Handbewegungen, wie sie den gedachten Hebel bediente.
    Â»Und wenn Sie jemanden töten?«, fragte Joe ungläubig.
    Sie tat seine Bedenken mit einer Handbewegung ab. »Keine Sorge, ich binde orangefarbenen Stoff an den Draht, sodass er unmöglich übersehen werden kann. Ich will meine Gebühren kassieren, nicht meine Kunden enthaupten.«
    Â»Aber das dürfen Sie nicht, Mrs. Scarlett – das ist ein öffentlicher Wasserweg.«
    Sie wandte sich von ihrem imaginären Schlagbaum ab, und ihr Blick ließ Joe erstarren. »Das ist ein öffentlicher Wasserweg, Mr. Pickett«, erwiderte sie, »weil meine Familie dies zugelassen hat. Ich könnte den Fluss mühelos umleiten, um meine Ranch zu bewässern und um diese Gegend in einen Sumpf zu verwandeln wie in Louisiana und mein Anwesen in ein Venedig voller herrlicher Kanäle. Doch ich habe beschlossen, das nicht zu tun, sondern eine kleine Gebühr dafür zu kassieren, Ihnen und tausenden anderen Bewohnern unseres verschlafenen, kleinen Tals kostenloses Trinkwasser und Erholung zu bieten.
    Dieses Arrangement«, fuhr sie fort und behielt den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, »hat drei Generationen lang bestens funktioniert. Wasser im Tausch gegen gebührenden Respekt. Ich habe gehört, Sie würden dazu neigen, bis zu einem gewissen Grad eigene Wege zu gehen. Eigentlich bewundere ich das. Aber ich gebe zu bedenken, dass es die falsche Entscheidung wäre, diese Schlacht auszutragen, wenn es andere gibt, die es würdiger wären, geschlagen zu werden.«
    Joe fühlte sich, als hätte er mit der Rohlederpeitsche eins übergezogen bekommen. Alles, was ihm dazu einfiel, war: »Freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Mrs. Scarlett.«
    Beim Anblick von Tommy Waymans Halswunde hatte er sich also ziemlich gut vorstellen können, was auf dem Fluss passiert war.
    ***
    Tommy Wayman gestand, Opal tatsächlich am Vormittag in den Fluss gestoßen zu haben. Wenn man seiner Aussage Glauben schenken durfte, war Folgendes passiert:
    Wayman war zum ersten Mal in diesem Frühling auf dem Wasser gewesen und hatte mit seinem Flachrumpf-Driftboot den Twelve Sleep River erkundet. Nach dem Winter gab es stets neue Hindernisse, neue Biegungen und Strömungen im ungebändigten Fluss, die es auszukundschaften galt – für Wayman eine wunderbare Gelegenheit,

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