Rachedurst
und sagte »ähm«) und klopfte dann sachte an Sheridans Tür, weil er darunter einen Lichtstreifen sah.
»Komm rein«, sagte sie.
Joe steckte den Kopf ins Zimmer. Sheridan las im Bett und trug ihre Brille statt der Kontaktlinsen. Sie lächelte ihren Vater an, hob dann aber fragend die Brauen.
»Wie gehtâs dir?«, wollte er wissen.
»Gut. Aber Julie tut mir leid.«
»Mir auch. Ich bereue sehr, sie dahin mitgenommen zu haben. Ich hoffe, sie kommt drüber weg.«
Sheridan nickte.
»Hat sie dir mal von den Verhältnissen da drauÃen erzählt?«, fragte Joe. »Was es mit ihrem Vater und den Onkeln auf sich hat?«
Sheridan schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sie wirklich weiÃ, was los ist. Ich hab gedacht, sie ruft heute Abend an, aber sie hat sich nicht gemeldet.«
Joe erzählte ihr davon, wie sich der Konflikt im Sheriffbüro fortgesetzt hatte und dass Tommy Wayman zugegeben hatte, Opal in den Fluss geworfen zu haben.
»Das ist einfach verrückt«, meinte sie.
»Die Scarlett-Brüder machen mich neugierig«, sagte Joe. »Wie gut kennst du die drei? Redet Julie viel über sie?«
Sheridan wirkte misstrauisch. »Ein bisschen. Und ich hab alle drei kennengelernt. Ihren Vater Hank, Onkel Arlen und Onkel Wyatt.«
»Was denkst du über sie?«
»Dad, es ist mir unangenehm, deine Spionin zu sein. Julie ist meine beste Freundin.«
Joe hob die Hand. »Gut, nicht jetzt. Verstehe. Aber vermutlich werde ich später noch mal mit dir über sie reden wollen, okay?«
»Gute Nacht, Dad«, sagte Sheridan.
***
Marybeth war bei brennender Nachttischlampe eingeschlafen, ein geöffnetes Buch auf der Brust. Sie atmete tief, und Joe versuchte, sie nicht zu wecken, als er durchs Zimmer tappte. Er zog sein rotes Uniformhemd und die Jeans aus und schlüpfte in eine alte Jogginghose der Wyoming Cowboys, der Football-Mannschaft der Landesuniversität. Bevor er wieder nach unten ging, schob er ein Lesezeichen in Marybeths Buch, klappte es zu und legte es beiseite. Als er ihre Lampe ausschalten wollte, hielt er kurz inne und betrachtete seine Frau. Im Schlaf war ihre Miene sanft und entspannt, und auf ihren Lippen lag der Anflug eines Lächelns. Sie war eine wunderbare Frau, besser, als er sie verdiente. In letzter Zeit war sie so beschäftigt, dass sie abends stets todmüde war. Schon seit über zwei Wochen hatten sie nicht miteinander geschlafen, und Joe strich auch den heutigen Abend von der Liste.
Er vermisste die Zeit, die sie sonst miteinander verbracht hatten â bevor ihr Geschäft ein solcher Erfolg geworden war und die Mädchen ständig zwischen Schule, Zuhause und ihren Aktivitäten herumkutschiert werden wollten. Und mit seinem Dienstplan und den Schwierigkeiten im Beruf war er, wie ihm klar war, in dieser Hinsicht keine groÃe Hilfe.
Joe strich ihr mit den Fingerspitzen über die Wange, löschte das Licht und ging wieder nach unten in sein Büro.
Er hatte den mit seiner Arbeit verbundenen Papierkram nie gemocht, hielt ihn aber für nötig â im Gegensatz zu manch anderem der vierundfünfzig Jagdaufseher Wyomings, die dauernd darüber jammerten. Er sah in all den Kurzmitteilungen, Berichten, Bitten um Stellungnahme und im allgemeinen Schriftverkehr den Preis, den er dafür zahlen musste, den GroÃteil seines Arbeitstags drauÃen im Gelände in seinem Pick-up verbringen zu können oder auf einem der Pferde, in seinem Boot oder auf dem Motorschlitten. Joe Pickett übte seinen Beruf nach wie vor mit einer fast kindlichen Leidenschaft aus, die nicht nachlassen wollte. Er fand ihn herrlich, seinen knapp viertausend Quadratkilometer groÃen Bezirk, zu dem beeindruckende und wilde Breaklands gehörten, FluÃebenen und bewaldete Gebirgskämme, baumlose Ausblicke und eine Landschaft von einer solchen Weite, dass bei einem Blick in die Ferne von bestimmten Orten aus die Erdkrümmung zu erkennen war.
Früher hatte es ihm sogar Freude bereitet, seine Wochenberichte abzufassen, eine wohlgesetzte Formulierung zu finden oder ein Argument vorzubringen, das Vorgesetzte überzeugen mochte. Doch die Dinge hatten sich verändert, und inzwischen graute ihm davor, sein Büro zu betreten.
Joe hörte den AB ab. Ein heimischer Rancher klagte über einen Wagen, der nachts auf seinem Land herumkurvte: wohl ein Wilderer. Die nächste Nachricht war von
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