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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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einmal selbst zu angeln, ehe die große Schneeschmelze begann und den Fluss anschwellen und schlammig werden ließ, ehe die ersten Kunden buchten und er sich mit dem leidigen Thema beschäftigen musste, Angelführer und Bürohilfen anzuheuern.
    Es war ein ungewöhnlich warmer Tag für diese Jahreszeit, und viele Eintagsfliegen schwirrten durch die Luft. Er war allein auf dem Fluss und hatte zu keiner Zeit ein anderes Boot zu Gesicht bekommen. Die Forellen bissen so heftig nach seinen Köderfliegen aus Kunststoff, dass sie sie verstümmelten. Er holte die Fische ein und setzte die nach wie vor wild zappelnden Tiere anschließend wieder zurück ins Wasser. Es war der feuchte Traum eines jeden Anglers, einer der Tage, die Wayman daran erinnerten, warum er den Fluss und das Angeln so liebte.
    Er hatte Trockenfliegen und Dropper aufgezogen und trieb – ganz vertieft ins Anbinden von Vorfachspitzen – durch die Thunderhead Ranch. Den silbrigen Draht, der quer über den Fluss gespannt war, nahm er erst wahr, als dieser ihn unterm Kinn erwischte und ihn kurz vom Sitz hob. Er spürte, wie ihn der Draht ins Fleisch schnitt und Blut an seiner Hemdbrust herablief, konnte den Draht aber gerade noch mit den Händen packen, ehe das Boot weiter flussabwärts treiben und ihm der Draht die Kehle aufschlitzen konnte. Nachdem er sich von dem Draht befreit und sich darunter hindurchgeduckt hatte, griff er zu den Rudern und lenkte das Boot ans Ufer. In diesem Moment kam Opal Scarlett aus dem Haus und trocknete sich die Hände mit einem Tuch ab.
    Â»Zum Teufel, Opal«, brüllte er und sprang ans Ufer. »Du hättest mir mit deinem verdammten Draht fast den Kopf abgetrennt!«
    Opal stand einfach da und musterte ihn, als wäre er ihr Eigentum. Als wäre sie mit dem Benehmen eines Saisonarbeiters unzufrieden – oder eines Sklaven. Schließlich sagte sie, hätte er dieses Jahr seine Flussgebühr im Voraus bezahlt – und er wisse ja, dass er das hätte tun sollen – , dann hätte er dieses Problem vermeiden können.
    Â»Es gibt keine Flussgebühr!«, rief er.
    Â»Auf meiner Ranch ja«, entgegnete Opal mit hochgezogenen Augenbrauen.
    Daraufhin rannte er auf sie zu, packte sie mit der einen Hand am Kragen, mit der anderen am Gürtel und warf sie in hohem Bogen in den Fluss.
    Â»Verdammt, war die leicht«, sagte Tommy. »Als würde sie aus nichts als Kleidung und einer finsteren Miene bestehen. Als würde ich meine Nichten und Neffen im Schwimmbad in die Luft katapultieren. Sie hat sich nicht mal gewehrt. Einfach so in den im Fluss geworfen zu werden – damit hat sie wohl ganz und gar nicht gerechnet.«
    Er sah sie davontreiben. Sie strampelte mit den Beinen und brüllte: »Von nun an, Tommy Wayman, zahlst du mir hundert Dollar pro Durchfahrt!«
    Â»Rutsch mir den Buckel runter, Opal«, rief er ihr nach, und beobachtete, wie ihr Kopf im Fluss auf und ab wippte, und hörte, wie sie ihn verfluchte, bis sie zweihundert Meter weiter um eine Biegung getrieben war.
    Er habe keinen Moment lang daran gezweifelt, dass sie einfach ans Ufer schwimmen würde, sagte er später. Er habe nicht mal in Erwägung gezogen, sie könne ertrunken sein. Dieser Flussabschnitt sei dafür zu flach und zu langsam. Und sie sei ganz einfach zu bösartig, um zu sterben – ein Satz, den Joe bereits von Reed gehört hatte.
    Nein, er habe sie nicht ans Ufer klettern sehen, nachdem er wieder ins Boot gestiegen war und sich weiter flussabwärts treiben ließ.
    Nein, er habe nicht gesehen, dass sie sich in Treibholz verfangen hätte oder von einer Strömung erfasst und auf den Grund gezogen worden wäre. Der Fluss fließe im April nur langsam. Die gefährlichen Schnellen entstünden erst später, wenn der Schnee schmelze und sich Fließgeschwindigkeit und Wassermenge verdoppele, ja, verdreifache.
    Nein, er habe keine Notwendigkeit gesehen, sich zu stellen, denn Opal habe es, nun ja, verdient, im Wasser zu landen.
    Â»Es wundert mich, dass der Fluss sie nicht gleich wieder ausgespuckt hat«, sagte Tommy zu Joe und Robey.
    Stolz über seine Heldentat, hatte er sich damit vor seiner Frau Nancy gebrüstet, ohne zu wissen, dass sie den ganzen Tag lang wütend zu Hause gesessen hatte. Sie hatte Fotos entdeckt, die ihn eng umschlungen mit attraktiven Kundinnen zeigten. Eines dieser Bilder hatte sie ganz besonders verärgert:

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