Rachedurst
Darauf war eine Gruppe Flugbegleiterinnen abgelichtet, die in seinem Boot saà und die nackten Brüste in die Kamera reckte, während Tommy die Ruder in Händen hielt und wie ein Idiot grinste. Sie war so wütend, dass sie, als er mit einem Bier in seinem Polstersessel eingeschlafen war, im Sheriffbüro anrief und berichtete, was Tommy ihr erzählt hatte. Nancy machte sich nun allerdings furchtbare Vorwürfe, weil sie da noch nicht gewusst hatte, dass Opal vermisst wurde.
Was also war mit Opal Scarletts Leiche geschehen? Oder war sie einfach aus dem Fluss geklettert und irgendeiner plötzlichen Eingebung folgend in ihren Cadillac gestiegen und weggefahren?
***
Joe parkte vor der Garage, rüttelte Maxine wach und betrat das Haus durch die Umkleide.
Die Picketts wohnten gut zehn Kilometer auÃerhalb von Saddlestring in einem kleinen, zweistöckigen Haus, das dem Staat Wyoming gehörte. Joe war froh, dass es bereits dunkel war, denn so musste er nicht sehen, wie ramponiert das Gebäude wirkte; dass die Dachlinie durchhing und Fenster und Türen verzogen waren. Das Haus stand ein wenig abseits der StraÃe hinter einem weiÃen Zaun, der einen neuen Anstrich nötig gehabt hätte. Es gab eine separate Garage für Joes Motorschlitten, seine Ausrüstung und normalerweise auch den Van, dessen Platz jedoch von Joes umgedrehtem reparaturbedürftigen Driftboot eingenommen wurde. Hinter dem Haus befanden sich der Unterstand und die Koppel für ihre beiden Pferde Toby und Doc.
Es war still im Haus, alle lagen im Bett. Joe legte den abgenutzten Aktenkoffer auf den Schreibtisch seines Heimbüros neben der Umkleide. Den blinkenden AB und die ungeöffnete Post ignorierte er vorerst.
Er dachte daran, wie sich die Dinge im letzten Jahr für sie verändert hatten. Marybeths Gewerbe, MBP Management, war rasch gewachsen. Inzwischen kümmerte sie sich um acht Firmen in Saddlestring, also um deren Buchhaltung und Bestandsverwaltung, um Dienstpläne und darum, dass die Betriebe alle Bundes- und Landesauflagen erfüllten. Die Eigentümer hatten die Kontrolle gern an sie abgetreten und ihren Kollegen beim Morgenkaffee im Schnellrestaurant erzählt, wie viel leichter ihr Leben war, seit sie Marybeth beschäftigten. Sie hatte eine Lücke gefüllt, deren Existenz niemandem bewusst gewesen war, bevor sie mit Laptop, diversen Tabellen und ihrem ausgeprägten Pragmatismus aufgetaucht war. Sie hatte sogar Partnerbüros in Sheridan und Cody, die von Frauen geleitet wurden, die ihr recht ähnlich waren: Auch sie waren Mütter, die wussten, was Zeitmanagement und Prioritätensetzung wirklich bedeutete, und die in der Lage waren, in eine kleine Firma zu kommen, sie zu analysieren und sie, nun ja, geschäftstüchtig zu machen. Inzwischen trug sie zum Familieneinkommen mehr bei als Joe mit seiner Tätigkeit als Staatsangestellter der Jagd- und Fischereibehörde. Und dieses Geld war hilfreich.
Sie hatten College-Fonds für Sheridan und Lucy eingerichtet, kochten auf allen vier Platten des Herds und besaÃen einen neuen Minivan und einen Fernseher, der ihnen erstmals aufzeigte, dass die Gesichter der meisten Schauspieler nicht nur aus Grüntönen bestanden.
Sie hatten darüber gesprochen, dass MBP Management schnell den Punkt erreicht hatte, an dem Marybeth sich würde entscheiden müssen, ob sie sich mit dem Erreichten begnügen oder expandieren wollte. Sich zu begnügen, hatte sie gesagt, sei der erste Schritt zur Stagnation, die sie allenthalben bei den Firmen beobachte, die sie betreue. Eine Expansion â Angestellte zu beschäftigen, gröÃere Büroräume anzumieten und nicht mehr nur aktive Beraterin, sondern Vollzeit-Führungskraft im eigenen Geschäft zu sein â war jedoch auch nicht gerade das, was sie sich für die Zukunft vorstellte. Sie arbeitete gern mit den Kunden, und das Geschäft auszuweiten hieÃe, länger von der Familie getrennt zu sein und die Ehe weiteren Belastungen auszusetzen. Ihnen stehe eine schwierige Entscheidung bevor, hatte sie gesagt â und eine, die sie zusammen würden treffen müssen. Joe wollte nur, dass sie glücklich war, und sagte, er werde sie unterstützen, egal, wofür sie sich entscheide.
Ehe er nach oben ging, um sich zu seiner Frau zu legen, schlich er auf Zehenspitzen in Lucys Zimmer, gab ihr einen Gutenachtkuss (sie drehte sich daraufhin auf die andere Seite
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