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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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Großmutter und ihrer streitenden Onkel gewesen sei. Der Lehrer nahm alles gierig auf. Wenn sie jedem Lehrer die ganze Geschichte erzählt, dachte Sheridan, kommen wir hier nie raus. Zwar mochte sie Julie und war erleichtert, dass es ihr gut zu gehen schien, doch ihre Freundin weidete sich geradezu daran, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
    Schließlich verabschiedete sich Julie von ihrem Lehrer und verließ mit Sheridan den Klassenraum.
    Â»Ich kann leider nicht bleiben«, sagte Sheridan. »Ich werde abgeholt.«
    Julie blieb stehen. »Echt? Aber wir haben uns viel zu erzählen!«
    Â»Ich weiß«, sagte Sheridan und dachte daran, wie viel lieber sie sich mit Julie unterhalten würde, als noch sieben Mal zuzuhören, wie sie ihren Lehrern erklärte, was auf der Ranch geschehen war. Sie nutzte die Gelegenheit und fragte Julie nach etwas, das ihr seit Tagen im Kopf herumging. »Kurz vor dem Kampf wolltest du mir im Pick-up etwas sagen. Erinnerst du dich?«
    Â»Ja.«
    Â»Magst du es mir jetzt erzählen?«
    Julie lachte bitter und wirkte plötzlich viel älter als ihre vierzehn Jahre.
    Â»Das ist inzwischen eigentlich nichts Neues mehr. Ich hatte dir erzählen wollen, wie seltsam meine Familie ist. Ich habe daran gedacht, wie deine Mom dich, deine Schwester und deinen Dad abholen kam. Das ist so verdammt normal , verglichen mit dem, was ich gewohnt bin.«
    Â»Das hattest du mir sagen wollen?«, fragte Sheridan etwas enttäuscht.
    Â»Ja. Ich hab einfach bis vor Kurzem gar nicht bemerkt, wie seltsam es bei uns ist. Ich dachte, alle leben wie ich, und hab nicht kapiert, wie verkorkst das alles ist.«
    Sheridan schüttelte verständnislos den Kopf.
    Â»Du musst mal zu uns kommen und es dir selbst ansehen.« Julie nahm sie bei den Armen. »Du glaubst es erst, wenn ich es dir zeige. Warte, bis du die Vermächtniswand siehst.«
    Â»Was?«, fragte Sheridan ernstlich verunsichert.
    Â»Naja, du kennst doch den Begriff ›Kernfamilie‹? Also ein Vater, eine Mutter, ein paar Kinder, ein Hund? Wie bei euch? Und ich hab eine explodierte Kernfamilie. Als hätte jemand eine Bombe auf uns geworfen.« Julie kicherte bei der »explodierten Kernfamilie«, und auch Sheridan musste lächeln.
    Â»Ich meine«, fuhr Julie fort, »ich wohne nicht mal mit meinem Dad zusammen. Er lebt am anderen Ende der Ranch, auf der Ostseite, ganz allein. Meine Mom wohnt in einer Hütte am Bach und redet nie mit ihm. Und damit meine ich wirklich nie . Ich bin in dem großen Haus aufgewachsen und hab meine Oma für meine Mom gehalten, weil sie sich um mich gekümmert hat. Meine Mom trinkt, schätze ich. Meine Oma ist jedenfalls gewissermaßen meine Mutter – und Onkel Arlen mein Vater. Und Onkel Wyatt benimmt sich manchmal, als wäre er so alt wie ich oder sogar noch jünger. Ich mag Arlen und Wyatt sehr, und sie leben auf unserer Seite der Ranch … «
    Sheridan schüttelte den Kopf. »Julie, das wird langsam kompliziert.«
    Â»Ich weiß. Das wollte ich dir ja erzählen: wie kompliziert das alles ist. Aber ich möchte nicht, dass sonst jemand hier davon erfährt, weil es peinlich ist, verstehst du? Ich hoffe bloß, Großmutter kommt bald zurück. Dann würde sich alles wieder normaler anfühlen.«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Ihr Wagen ist weg. Vielleicht ist sie unterwegs. Wir hoffen, dass sie bald zurückkommt. Es ist eine sonderbare Situation, aber es würde wenigstens wieder ein wenig Normalität einkehren, wenn sie wieder da wäre. Sie ist eine gute Köchin.«
    Julie tat Sheridan nun noch mehr leid. Wie hilf- und schutzlos sie wirkte! Wie mitleiderregend sie klang! Aber ihre Familienverhältnisse flößten Sheridan auch ein seltsames, kaltes Gefühl der Freundin gegenüber ein, das ihr ein schlechtes Gewissen bereitete.
    Â»Oha.« Julie wies über Sheridans Schulter. »Da draußen ist der Wagen deines Dads.«
    Sheridan drehte sich um. Der grüne Pick-up der Jagd- und Fischereibehörde stand vor der Tür, und sie erkannte das Profil ihres Vaters. Seine Hutkrempe hüpfte auf und ab – wahrscheinlich redete er mit jemandem. Dann sah sie, dass Julies Onkel Arlen sich aus dem Seitenfenster seines Wagens beugte und sich mit ihrem Vater unterhielt.
    Â»Ich muss los.« Sheridan war erleichtert, einen Vorwand zum Gehen zu haben.
    Â»Ich weiß, aber danke,

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