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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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zweifellos in Menschengestalt darstellen würden.
    William Ralph Inge: Outspoken Essays II , 1922.
    Wenn du mit einem Hammer rumläufst,
    erscheint dir allmählich alles wie ein Nagel.
    Unbekannter Verfasser

8. KAPITEL
    Einen Monat lang war Opal Scarlett nun verschwunden und weder tot noch lebendig wieder aufgetaucht. Obendrein war ihr Auto weg. Allerdings wurde sie nicht aus sentimentalen Gründen vermisst, sondern weil sie der Schlüssel zu so vielen Projekten und Beziehungen der Leute untereinander, zu so viel Geschichte war. Erst als sie weg war, begriffen die meisten Einwohner von Saddlestring, welch integrative Wirkung Opal Scarlett in vielen Belangen gehabt hatte. Sie saß im Verwaltungsrat der Bank, des Museums, der Stadtwerke und der Freunde der Bibliothek und war einer von drei Landräten des Countys. Ihr jährlicher Scheck, der die Republikaner vor Ort finanzierte, war ausgeblieben. Ihr Autohändler hatte die Bestellung für ihren neuen Cadillac bereits entgegengenommen, und nun stand der Wagen seit Wochen mit einem »Verkauft«-Schild auf seinem Gelände.
    Joe rechnete nach wie vor damit, dass etwas passierte: ein Anruf von einer Ranch flussabwärts, eine Leiche sei ans Ufer getrieben; eine Postkarte von einer fernen Insel; ein telefonisch und im Befehlston übermittelter Auftrag an einen ihrer Söhne – irgendetwas.
    Nichts von alldem war geschehen. Stattdessen verharrte alles in einem unangenehmen Schwebezustand, und die Gerüchte wurden immer wilder und destabilisierten praktisch das ganze Tal.
    Joe hatte den Bericht des Sheriffbüros aufmerksam gelesen und ausführlich mit Robey Hersig gesprochen. Es war unbegreiflich, dass die Leiche nicht aufgetaucht war. Der Fluss führte, wie Tommy betont hatte, erstaunlich wenig Wasser und hatte nur eine geringe Fließgeschwindigkeit. Die Schneeschmelze hatte noch nicht eingesetzt. In der Nähe der Stadt konnte man an manchen Stellen zu Fuß ans andere Ufer gelangen, indem man von Stein zu Stein sprang. Dass Opals Leiche unter diesen Umständen unbemerkt flussabwärts hatte treiben können, war nahezu ausgeschlossen.
    Joe hatte in der Stadt einige Theorien aufgeschnappt. Die drei verbreitetsten waren:
    Tommy Wayman hat sie tatsächlich ins Wasser geworfen, zuvor aber erwürgt und die Leiche mit Steinen beschwert.
    Als Opal gerade hinter der ersten Biegung aus dem Fluss stieg, kam zufällig Hank vorbei und hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt: Er hat ihr mit der Schaufel eins übergebraten, die Leiche auf seine Seite der Ranch gebracht und sie dort begraben, mit dem Hintergedanken, vielleicht von Arlen die Ranch zu bekommen.
    Opal ist wohlauf, doch ihre Schwimmeinlage hat sie sehr verängstigt; als sie wieder ans Ufer kam, ist sie deshalb in ihr Auto gestiegen und hat sich in Las Vegas einen jungen Liebhaber namens Mario zugelegt. Irgendwann würde sie gewiss zurückkommen. Es gab sogar einen Augenzeugenbericht von einem Bewohner des Bezirks, der geschworen hatte, sie mit einem großen, jungen Mann mit dunklem Teint in einem Kasino an der Vergnügungsmeile gesehen zu haben. Der Bericht erschien glaubwürdig genug, dass McLanahan Hilfssheriff Reed nach Las Vegas geschickt hatte, wobei derart hohe Spesen angefallen waren, dass es im Stadtrat zu einem kleineren Skandal kam.
    Joe stand abseits des Geschehens und war zunehmend frustriert. Die ganze Sache fiel nicht in seine Zuständigkeit, und seine Verwicklung in die Angelegenheit war nebensächlich. Aber es brachte ihn auf die Palme, dass es keinerlei Fortschritte zu verzeichnen gab. Er schlug Robey vor, ihn in die Ermittlungen zu integrieren, doch der schüttelte den Kopf und sagte, der Sheriff wolle keine Einmischung von außen: »Seit wann ziehen wir bei Vermisstenanzeigen den Jagdaufseher hinzu?« Und Joe war klug genug, sich in dieser Angelegenheit nicht an seinen Behördenleiter Pope zu wenden. Joe war sich nicht sicher, ob er den Ermittlungen auf die Sprünge helfen könnte. Aber er wusste, dass er sich wohler fühlen würde, wenn er daran beteiligt wäre.
    ***
    Seit jenem Vormittag im April waren Einzelheiten darüber durchgesickert, wie die Thunderhead Ranch geführt worden war und welche Probleme und Komplikationen das Verschwinden der Matriarchin nach sich gezogen hatte. Joe hatte am nächsten Abend eine Verabredung mit Robey Hersig, um mit ihm die momentane Lage zu besprechen. Robey hatte zwar um

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