Rachedurst
Rettungswesten bequem gemacht und ein Schläfchen eingelegt hatte. Nein, er wusste nicht genau, wie lange. Vielleicht eine ganze Stunde. Als er aufwachte, wusste er zunächst nicht, wo er sich befand. Er holte den Anker ein und lieà sich weiter flussabwärts treiben, wobei er langsam schneller wurde. Und da sah er sie dann. Opal Scarlett, direkt am Ufer in dichtem Unterholz. Aber nah genug, um ihr Gesicht zu erkennen, auch wenn er wegen der Flussgeräusche nicht verstehen konnte, was sie sagte. Er war schon zu weit abgetrieben, als dass er gegen die starke Strömung hätte zurückrudern können, um ihr zuzuhören. Er hatte ihr noch zugerufen: »Stellen Sie sich, Opal, um Himmels willen! Alle denken, ich hätte Sie im Fluss ertränkt!«
»Sie sagen, sie befand sich näher an Hanks Haus als an ihrem eigenen«, überlegte Robey. »Erscheint Ihnen das nicht seltsam?«
Die Fragen ärgerten Tommy immer mehr; überdies setzte ihm langsam ein gewaltiger Kater zu, was den Umgang mit ihm zusätzlich erschwerte. »Die ganze Sache kommt mir seltsam vor, Robey«, sagte er. »Was hat sie da drauÃen einen Monat lang getrieben, wenn sie weiÃ, dass der ganze Bezirk rätselt, was ihr zugestoÃen ist?«
Reed ging seine Notizen durch und seufzte laut. Tommy sah ihn an.
» Was? «
»Als Sie Ihre Geschichte das erste Mal erzählten, sagten Sie, Sie hätten geangelt und hochgeschaut, und da sei sie gewesen«, so Reed. »Eine Stunde später meinten Sie, Sie seien in Ihrem Boot eingeschlafen, und als Sie aufwachten, habe sie dort gestanden. Und nun erzählen Sie, Sie seien immer schneller flussabwärts getrieben und hätten sie erst gesehen, als Sie sich umschauten, und da sei es zu spät gewesen zurückzurudern. Das sind drei Versionen desselben Ereignisses, Tommy. Welche sollen wir glauben?«
Auch Joe waren die Unstimmigkeiten aufgefallen. Tommy errötete. SchweiÃperlen traten ihm auf die Stirn.
»Die Letzte, verdammt«, sagte er bestimmt, »die letzte Version.«
»Das hört sich nicht sonderlich glaubwürdig an.« Robey klang überraschend verständnisvoll.
»Und ihre Kleidung?«, fragte Reed alles andere als freundlich. »Sie sagen, sie trug eine Jeans und ein kariertes Hemd. Welche Farbe hatte das Hemd?«
»Hä?«
»Welche Farbe das Hemd hatte? Sie sagten vorhin, es hatte eine bestimmte Farbe. Wissen Sie inzwischen, welche?«
Tommy sah auf seinen Kaffeebecher und murmelte etwas.
»Wie bitte?«
»Er hat âºhellgelbâ¹ gesagt«, wiederholte Joe.
Reed verdrehte erneut die Augen. »Hellgelb war das Hemd, von dem er ursprünglich behauptete, Opal habe es an dem Tag getragen, an dem er sie in den Fluss geworfen hat. Sollen wir etwa glauben, dass sie einen Monat lang dieselben Sachen anhatte?«
»Tja.« Robey rieb sich das Kinn. »Und sagten Sie nicht vorhin, sie trug ein Kleid?«
»Wenn ja, dann war das nur so dahingesagt.«
»Tommy Wayman«, Hilfssheriff Reed klappte das Notizbuch zu und schob es in seine Hemdtasche, »Sie labern Bockmist.«
Stöhnend setzte Tommy sich auf.
»Ich hab sie wirklich gesehen, Jungs«, brachte er mühsam hervor. »Ich kann mich nur nicht an alle Einzelheiten erinnern, weil ich betrunken war.«
»Es wäre natürlich nichts weiter als eine glückliche Fügung«, sagte Robey, »dass Sie aus dem Schneider wären, falls Opal wirklich auf ihrer Ranch gesehen worden ist, was?«
Tommy sah erst Reed, dann Joe, dann Robey an. »Wirklich, Jungs ⦠«
»Mir reichtâs«, meinte Reed. »Soll ich Tommy nach Hause fahren?«
»Wirklich, Jungs«, wiederholte Tommy, als Reed ihm beim Aufstehen half.
***
Joe und Robey saÃen am Tisch. Es war Mitternacht, und Tommy Wayman und Hilfssheriff Reed waren seit einer Viertelstunde weg. Joe hatte sich und seinem Freund als Absacker einen Bourbon mit Wasser eingeschenkt.
»Das war interessant«, sagte Robey. »Einen Moment lang dachte ich, wir hätten endlich eine Spur.«
Joe nickte.
Robey fuhr fort: »Ich denke, er wollte sie lebendig sehen, also hat er sie lebendig gesehen. Vermutlich denkt er ständig an sie, weil er wegen ihr in Rawlins enden könnte. Wahrscheinlich hat er nur geträumt, dass sie am Ufer stand, und als er dann aufwachte, hat er sich eingeredet, es sei wirklich so gewesen. Ich fürchte, Tommy
Weitere Kostenlose Bücher