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Rachegott: Thriller

Rachegott: Thriller

Titel: Rachegott: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Linnemann
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sie nicht reagierte, ging er um ihren Stuhl herum und betrachtete sie genauer. Die Frau war 49 Jahre alt und trug ein gelbes Oberteil zu einer grauen Stoffhose. Ihr Gesicht war sehr faltig. Die große Nase passte kaum zu dem winzigen Mund.
    Es ist mir fast schon unangenehm, die Frau in dieser Situation zu erschießen. Schließlich zeugt es nicht von besonderem Mut, eine schlafende, wehrlose Person zu ermorden. Aber kann ich es mir erlauben, auf derartige Dinge Rücksicht zu nehmen? Nein. Ich muss meinen Plan durchziehen. Je einfacher mir die Sache gemacht wird, desto besser ist es. Also sollte ich froh sein, dass ich auch meinen zweiten Mord problemlos verüben kann. Was kümmern mich die Umstände? Ich muss mich von allen emotionalen Aspekten lösen, um an mein Ziel zu gelangen. Deshalb sollte ich jetzt nicht länger zögern, sondern endlich abdrücken.
    Der Mörder ließ seinen Gedanken Taten folgen. Er hob die Waffe an und zog den Abzug mit einer schnellen Bewegung durch. Die Kugel durchschlug den Körper der Frau und ließ ihn in sich zusammensacken. Blut sickerte aus den Wunden heraus. Eine Lache sammelte sich im Schoß des Opfers.
    Das war der zweite Mord. Der dritte folgt sogleich.
     
    Professor Horn sah auf Gertrud Musters Leichnam hinab und schüttelte betrübt den Kopf. Der 55-Jährige hatte die Obduktion der Leiche vor wenigen Minuten abgeschlossen und wartete nun auf Nora und Thomas, die sich bereits telefonisch bei ihm angekündigt hatten. Soeben streifte er den grünen Kittel ab, warf den Mundschutz beiseite und ließ seinen Blick einmal quer durch den Autopsiesaal wandern. Es kam nicht häufig vor, dass er sich fragte, was ihn damals bewogen hatte, den Beruf des Gerichtsmediziners zu ergreifen. Doch an Tagen wie diesem ließ ihn die unvorstellbare Grausamkeit der Welt außerhalb seines Saales verzweifeln. Gertrud Muster war Ehefrau, Mutter und Arbeitgeberin gewesen. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Zumindest hatten die Kommissare nichts Negatives über sie herausfinden können. Doch dann wird sie eines Tages vor ihrem eigenen Haus kaltblütig erschossen. Horn konnte sich kaum eine sinnlosere Tat vorstellen.
    Warum hat der Mörder ausgerechnet sie ermordet? Was ist sein Motiv? Hat er überhaupt ein Motiv? Oder läuft ein Wahnsinniger durch unsere Straßen und könnte jeden Moment ein weiteres Opfer fordern? Wie würden die Ermittler diesen Täter stoppen? Auf welche Weise könnten sie ihm auch nur annähernd auf die Spur kommen?
    Mit diesen Fragen wollte Horn sich eigentlich nicht beschäftigen. Aber da er momentan nichts weiter machen konnte, als auf Nora und Thomas zu warten, rauschten sie ihm unweigerlich durch den Kopf. Dabei gab es generell schon zu viele negative Dinge, die ihn belasteten. Aus diesem Grund stürzte er sich immer Hals über Kopf in die Arbeit. Er brauchte ständig eine Beschäftigung, um nicht an all den schlimmen Gedanken zu zerbrechen, die ihm durch die kriminellen Handlungen der Menschen aufgezwungen wurden. Paradoxerweise bestand seine Arbeit ausgerechnet darin, Leichen zu obduzieren. Er versuchte der Grausamkeit zu entfliehen, indem er ihr direkt ins Gesicht blickte. Vermutlich hoffte er, die Brutalität auf diese Weise besser verstehen und verdauen zu können. Allerdings wurde diese Hoffnung im Fall Muster enttäuscht.
    So eine unsinnige, schreckliche Bluttat! Das hat niemand verdient. Nicht einmal meinen Feinden wünsche ich so ein Ende.
    Während Horn seine Arme vor der Brust verschränkte, traten die Kommissare durch eine Seitentür in den Saal. Der Gerichtsmediziner konnte ihnen sofort ansehen, dass sie sich in dieser sterilen Umgebung unwohl fühlten. Besonders Nora verzog eine angewiderte Miene. Aber auch Tommy konnte aufgrund seiner abwehrenden Körperhaltung nicht verbergen, dass er dem kahlen Raum am liebsten sofort wieder den Rücken zuwenden würde.
    „Da sind Sie ja endlich“, begrüßte Horn sie schroff.
    Die Ermittler nickten ihm zu, stellten sich vor den Seziertisch, auf dem Gertrud Musters Leiche lag, und sahen den Professor an.
    „Was konnten Sie bei der Obduktion herausfinden?“, wollte Nora von ihm wissen, ehe sie ein Bein vorschob und den Leichnam betrachtete.
    „Die tödliche Kugel hat fast alle Bereiche des Gehirns durchschlagen. Ich kann mit vollkommener Sicherheit sagen, dass die Frau auf der Stelle tot war. Der Todeszeitpunkt liegt gestern zwischen 15 und 16 Uhr. Gertrud Muster war etwas übergewichtig und

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