Rachegott: Thriller
die Augen und schüttelte den Kopf. „Mein Vater wurde ermordet“, stieß er dann so unvermittelt aus, dass Thomas einige Sekunden brauchte, um diese Information zu verarbeiten.
„Wie bitte? Wann ist das passiert?“
„Vor fünfzehn Jahren. In Frankfurt. Dort lebte ich mit meinen Eltern und meinem Bruder. Die Polizei kam eines Abends zu uns und überbrachte uns die Horrornachricht der Ermordung. Mein Vater wurde mit drei Messerstichen getötet. Es war ein Überfall. Ein dummer Überfall!“ Ruttig musste sich sehr beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen. Offensichtlich hatte er seinen Vater sehr geliebt.
„Wurde der Täter gefasst?“, fragte Tommy mitfühlend.
„Nein. Bis zum heutigen Tag befindet sich der Kerl auf freiem Fuß. Das ist der Hauptgrund, warum ich mich damals entschlossen habe, in die Kriminaltechnik zu gehen. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, Morde aufzuklären und den Angehörigen der Opfer das zu bieten, was mir niemand geben konnte: Gewissheit über die Identität der Mörder.“
„Das kann ich verstehen. Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihren Vater auf diese Weise verloren haben. Manchmal ist es unvorstellbar, welche sinnlosen, grausamen Taten verübt werden.“
Waldemar nickte. „Immer wenn ich jetzt an einem Tatort arbeite, kommt mein ganzer Frust wieder hoch. Meine Trauer vermischt sich mit Wut. Deshalb benötige ich danach einige Zeit, um mich wieder zu beruhigen.“
„Es ist erstaunlich, dass Sie trotzdem in der Lage sind, sich auf den jeweiligen Fall zu konzentrieren. Ich könnte das wahrscheinlich nicht.“
„Ich muss es hinkriegen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich wünschte nur, dass ich schon Kriminaltechniker gewesen wäre, als mein Vater ermordet wurde. Vielleicht hätte ich die entscheidende Spur zum Täter gefunden.“
„Zwar kenne ich mich in psychologischen Angelegenheiten nicht sehr gut aus, aber ich glaube, dass es besser wäre, wenn Sie nicht so denken würden. Es klingt nämlich so, als könnten Sie ewig mit dieser Überlegung hadern. Und das kann nicht gesund sein. Sie sollten mit diesem Kapitel abschließen.“
„Leichter gesagt als getan.“ Waldemar trank einen Schluck seines Bieres. Dann blickte er Thomas interessiert an. „Was ist mit Ihnen? Warum haben Sie sich entschieden, Kommissar zu werden? Haben Sie auch so etwas Schlimmes erlebt wie ich?“
„Nein, das ist mir zum Glück erspart geblieben. Mein Vater starb vor einigen Jahren an einem Herzinfarkt. Meine Mutter wohnt seitdem in Oldenburg. Sie konnte nicht länger in dieser Stadt wohnen. Sie brauchte ein neues Umfeld. Aber ich bin hier geblieben. Ich kann mich nicht von Göttingen trennen.“
„Aber Sie haben hoffentlich noch Kontakt zu Ihrer Mutter? Es gibt nämlich nichts Schlimmeres, als den Kontakt zur eigenen Familie zu verlieren.“
„Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Wir telefonieren regelmäßig miteinander.“
„Das ist schön. Was würde ich dafür geben, noch einmal mit meinem Vater sprechen zu können? Ich hätte ihm viel zu erzählen. Sehr viel sogar.“ Er sah Tommy an. „Aber Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie Polizist geworden sind.“
„Das war mein Jugendtraum. Ich habe es damals geliebt, Räuber und Gendarm zu spielen. Natürlich war ich immer der Gendarm, der für Gerechtigkeit gesorgt hat. Das scheint in meinen Genen zu liegen. Obwohl meine Familie eigentlich nie etwas mit der Polizei zu tun hatte. Mein Vater war Elektriker. Meine Mutter hat als Bankangestellte gearbeitet. Es ist schon seltsam, welche unterschiedlichen Talente und Berufungen die Menschen haben und welche Wege das Leben für sie bereithält.“
Waldemar nickte nachdenklich. Dann kippte er den Rest seines Bieres herunter und wechselte mit spürbarer Neugierde das Thema: „Sie scheinen sich sehr gut mit Ihrer Kollegin zu verstehen. Wie ist sie denn so?“
„Nora? Sie ist großartig. Intelligent, charmant und hin und wieder auch ganz lustig. Wir ergänzen uns gut. Ich bin der Draufgänger, sie ist der rationale Typ. Das bildet eine gute Mischung. Manchmal ist sie zwar etwas zu ordentlich und pingelig, aber darüber sehe ich mittlerweile hinweg.“
„Und im privaten Bereich?“
Tommy hob die Brauen. „Verstehe ich Ihre Frage richtig?“
„Nun ja, ich habe Frau Feldt zwar erst vor einigen Stunden kennengelernt, aber ich finde sie sehr sympathisch. Und attraktiv.“
„Das sehe ich genauso.“
Waldemar blickte enttäuscht drein, weshalb Tommy schnell
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