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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Ma’am« zu antworten, wenn die computerisierte Stimme des Navigationssystems ihr eine Anweisung erteilte.
    Für ihren Aufgabenbereich war Cathy dazu ausgebildet worden, sorgfältig zuzuhören, wenn ein Klient ihr sagte, was sie über seine Probleme wissen musste, und keine Neugier auf Teilbereiche seiner Geschichte zu zeigen, die er ihr nicht enthüllt hatte. Aber in diesem Fall erschien ihre Fähigkeit, Desinteresse zu heucheln, beinahe übermenschlich.
    Als das Navigationssystem eine letzte Abzweigung nach links in dreihundert Metern ankündigte, erkannte Ryan den Park mit den Espen und der Kirche daneben.
    »Fahren Sie an den Straßenrand«, sagte er. »Ich kenne diesen Ort. Wenn ihr Haus gleich um die Ecke ist, können wir von hier aus laufen.«
    Ihre Jacken waren nicht warm genug für das Wetter, aber da es immer noch windstill war, lag die gefühlte Temperatur nicht unter der gemessenen. Mit den Händen in den Taschen liefen sie zuerst in den Park.
    Die Espen hatten ihr Laub für den Winter abgeworfen. Die glatten, kahlen Äste hoben sich als bleiche geometrische Formen gegen den Nachthimmel ab.
    Schnee, der erst kürzlich gefallen und noch nicht durch die Stiefel von Kindern zertrampelt worden war, überzog das Gras, und die Gehwege mit ihren Steinplatten wanden sich wie dunkle Wasserläufe durch das Weiß.
    »Ich war schon einmal hier«, sagte er zu Cathy. »Vor sechzehn Monaten.«
    Sie lief neben ihm her und wartete.

    »Damals hatte ich ein unglaublich eindringliches Déjà-vu-Erlebnis. Die Luft war so windstill wie jetzt, aber die Espen haben geraschelt, wie sie es immer tun, wenn sie belaubt sind. Und ich habe mir gesagt, wie sehr ich dieses Geräusch immer geliebt habe - und dann ist mir aufgegangen, dass ich es vorher noch nie gehört hatte.«
    Das Licht einer Laterne fiel auf eine eiserne Bank. Eiszapfen hingen vom vorderen Rand der Sitzfläche und auf den Steinplatten direkt unter ihnen glitzerte Eis.
    »Ich habe auf dieser Bank gesessen und war überzeugt, ich hätte hier früher schon oft gesessen, zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung. Und ich habe ein ganz starkes nostalgisches Gefühl von … von starker Zuneigung zu diesem Ort verspürt. Seltsam, meinen Sie nicht auch?«
    Wieder überraschte sie ihn, indem sie sagte: »Nicht wirklich.«
    Ryan sah sie an. Sie nahm wahr, wie eindringlich er sie anstarrte, und wandte den Blick von ihm ab.
    »Geht es Ihnen jetzt auch so?«, fragte sie und blickte in die Espenarchitektur hinauf.
    Ryan sah sich erschauernd in dem Park um. »Nein. Diesmal ist es einfach nur ein Ort wie viele andere.«
    Sie gingen auf die Stufen vor der Kirche zu. Eine Bronzelampe in Form einer Glocke warf ihren Schein auf die Eichentüren von St. Gemma.
    »Ich wusste, wie es in der Kirche aussehen würde, bevor ich hineinging. Und als ich eingetreten war … hatte ich das Gefühl, an einen heiß geliebten Ort zurückgekehrt zu sein.«
    »Sollten wir der Kirche einen Besuch abstatten?«
    Obwohl er wusste, dass ihn niemand so schnell ausfindig gemacht haben und ihm nach Nevada gefolgt sein konnte,
stellte Ryan sich vor, wenn er in die Kirche ginge, würde ihn dort die Frau mit den Lilien und dem Messer erwarten, diesmal allerdings ohne Lilien.
    »Nein«, sagte er. »Sie wird mir jetzt nicht wie etwas Besonderes vorkommen. Es wird sein wie mit dem Park - ein Ort wie viele andere auch.«
    Seine Ohren begannen vor Kälte zu brennen, seine Augen tränten und in der eisigen Luft hing ein schwacher Geruch nach Salmiakgeist, der in seinen Nasenlöchern brannte.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche, die dem Espenwäldchen abgewandt war, erstreckte sich ein weitläufiger Friedhof. Er war nicht eingezäunt und ein Mittelgang wurde von Laternen gesäumt.
    »Den habe ich beim letzten Mal nicht gesehen«, sagte er. »So weit bin ich gar nicht gekommen. Als ich aus der Kirche kam, war ich so … erschrocken, vermute ich, dass ich nur noch zurück ins Hotel wollte. Ich dachte, jemand hätte mich vergiftet.«
    Diese Äußerung schien Cathy Sienna eigentümlicher als alles andere vorzukommen, das er ihr enthüllt hatte. Als sie an dem Friedhof vorbeigingen und sich auf den Weg zur Straße machten, schwieg sie erst, doch dann sagte sie: »Vergiftet?«
    »Vergiftet oder unter halluzinogene Drogen gesetzt. Aber das ist eine lange Geschichte.«
    »Ganz gleich, wie lang sie ist, mir scheint der Gedanke an Gift oder Drogen ziemlich abwegig. Ist das nicht viel weiter hergeholt als andere

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