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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Eindrücken, von Gerüchen, die von der Seite aufstiegen, von Geräuschen, die im Kopf nachhallten, von Metaphern und Vergleichen. Sie konnte Dutzende von Quellen für die Struktur von Texten aufzählen. Ryan vermochte sich nicht an alle zu erinnern.
    In der Struktur begann man Muster zu sehen. Manche waren Handlungsmuster, die man sich vorstellen konnte wie die Mittelstreifen auf einer Autobahn und die Leitplanken an ihren Rändern, die dafür sorgen sollten, dass man sein Ziel erreichte, ohne sich in Seitenstraßen bedeutungsloser
Geschehnisse zu verirren. Andere waren Muster im offensichtlichen Thema, um der Geschichte einen Sinn zu geben, der sie bedeutsam machte, teils so, wie die Regeln zum Aufbau eines Sonetts ihm Bedeutung verleihen, teils so, wie die Wahrheit menschlichen Leids in einem Blues es lohnenswert macht, ihn zu singen.
    Die Muster, die schwieriger als alle anderen zu verstehen waren, die jedoch die faszinierendsten und normalerweise auch die verhängnisvollsten darstellten, waren jene, die aus dem Subtext aufstiegen. Sie hatten nichts mit dem oberflächlichen Thema zu tun, sondern rührten von der tieferen Bedeutung der Erzählung her. Je weniger man über diese Muster nachdachte, desto besser verstand man sie, denn sie waren die Muster von Urwahrheiten, die der moderne Verstand auf einer bewussten Ebene zum Teil ablehnte.
    Während er die Fotos der drei toten Frauen betrachtete und sich Grübeleien über ihre lebenden Schwestern hingab, hatte Ryan den Verdacht, dieses Muster von Zwillingen stiege, obgleich es anscheinend der Schlüssel für das Geschehen war, eher aus dem Subtext auf, und je intensiver er sich darauf konzentrierte, desto weiter entfernte er sich von der Offenbarung, die er suchte.
    Der gelbe Wind machte die Ampeln, die über Kreuzungen hingen, zu Pendeln, riss tote Wedel von hohen Palmen, trieb Steppenhexen von unbebauten Parzellen auf geschäftige Straßen, rüttelte den Wagen durch, zischte an den Fenstern und stellte seine Kraft alles in allem so penetrant zur Schau, dass ein Heide vielleicht Körbe voller Blütenblätter als Opfergabe in den Wind geworfen hätte, damit er vor den Übeln des bevorstehenden Unwetters verschont bliebe.
    Ryan steckte die Fotos wieder in den Umschlag und sagte:
»George, Cathy, ich fliege von hier aus nach Denver weiter. Ich weiß nicht, ob ich wirklich Begleitung brauche, aber es besteht eine vage Möglichkeit, dass meine Sicherheit gefährdet ist. Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn ich jemanden bei mir hätte, der zum Tragen einer Waffe berechtigt ist.«
    »In Colorado geht das bei uns beiden klar«, sagte Zane, »und Cathy hat dasselbe Training durchlaufen wie ich. Es ist sogar gut möglich, dass sie besser schießen kann als ich.«
    »Darauf setze ich zwanzig zu eins«, sagte sie.
    Ryan fragte: »Wären Sie bereit, mit nach Colorado zu kommen, Cathy?«
    »Ich habe nur für eine Übernachtung gepackt.«
    »Mehr brauchen Sie nicht. Wir fliegen morgen nach Kalifornien zurück.«
    In Wahrheit war nicht anzunehmen, dass Ismena Moon, eine Frau von achtundfünfzig Jahren, die ihm als »eine ganz Liebe« beschrieben worden war, seine körperliche Unversehrtheit gefährden würde.
    Er wollte jemanden bei sich haben, das stimmte, aber es ging ihm mehr um Gesellschaft als um seinen Schutz. Im letzten Jahr war er zu einer Art Einzelgänger geworden und die Einsamkeit hatte ihren Tribut gefordert.
    Insbesondere Denver erschien ihm als ein gefährlicher Ort, um dort allein zu sein. Bei seinem letzten Besuch war er verwirrt eingetroffen, was auch diesmal wieder der Fall sein würde, und bei seiner Abreise war er restlos durcheinander gewesen, bestürzt und nahezu verzweifelt.
    Außerdem hatte Ryan schon seit dem Moment, als er Cathy am Nachmittag in Spencer Barghests Garage wiedergesehen hatte, das Gefühl, es gäbe eine Frage, die er ihr stellen
wollte. Ihr stellen musste. Eine Frage von enormer Wichtigkeit. Er wusste nur nicht, wie diese lauten könnte. Er ahnte jedoch, dass die Frage in seinem Hinterkopf bereits Gestalt annahm. Vielleicht würde sie in Denver vollends ausformuliert sein.

    Vierzig Minuten nach dem Abflug aus Las Vegas, hoch über Utah, über dem Sturm und unterwegs nach Colorado, entschuldigte sich Ryan und begab sich zur Toilette.
    Er sank auf die Knie und übergab sich ins Klo. Beim Warten auf den Start hatte er nervöse Magenschmerzen bekommen und auf dem Flug war es schlimmer geworden.
    Am Waschbecken spülte er sich zweimal den

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