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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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auf ihren Kaffeebecher gerichtet, dass Ryan schon glaubte, sie würde die Zeitschrift wieder zur Hand nehmen, sowie sie den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte.
    Er sagte: »Als wir uns vor sechzehn Monaten das erste Mal in Las Vegas begegnet sind, haben Sie zu mir gesagt, der Spuk, der mich nicht losließe, sei mein eigener Tod, und ich wartete darauf, dass ein Fallbeil niederginge, käme aber nicht dahinter, wer es auslöse. Erinnern Sie sich?«
    »Ich erinnere mich.«
    »Erinnern Sie sich auch noch daran, dass Sie mir geholfen haben, meine möglichen Feinde ausfindig zu machen, indem Sie die Wurzeln der Gewalttätigkeit aufgezählt haben?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wollust, Neid, Wut, Habgier und Rachsucht. Im Wörterbuch steht, Habgier sei eine unersättliche Gier nach Reichtümern.«
    Sie trank ihren Kaffee aus und stellte den Becher ab, griff aber nicht wieder nach der Zeitschrift. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen.
    Ryan sagte: »Glauben Sie, Habgier kann auch eine Gier nach etwas anderem als Geld sein?«
    »Ein Synonym für habgierig ist begehrlich. Ein Mann kann alles begehren, was einem anderen gehört, nicht nur Geld.«

    Der Flugbegleiter kam, um sich zu erkundigen, ob Cathy noch einen Kaffee wolle und ob mit Ryans Bloody Mary etwas nicht in Ordnung sei. Er nahm den leeren Becher und das volle Glas mit.
    Nachdem der Flugbegleiter wieder gegangen war, brach Cathy Sienna das beiderseitige Schweigen. »Mr Perry, ich muss Ihnen eine furchtbare Frage stellen. Grob, direkt und schonungslos. Wollen Sie sterben?«
    »Weshalb sollte ich sterben wollen?«
    »Wollen Sie es?«
    »Nein. Nein, zum Teufel. Ich bin doch erst fünfunddreißig.«
    »Sie wollen nicht sterben?«, fragte sie noch einmal.
    »Mir graut vor dem Sterben.«
    »Dann gibt es Schritte, die Sie unternehmen müssen, und Sie kennen diese Schritte. Aber es genügt nicht, sich an die Polizei zu wenden. Sie müssen noch mehr tun. Ich glaube, Sie müssen außerdem auch noch… das Heldenhafte tun.«
    »Was soll das heißen?«
    Anstelle einer Antwort wandte sie sich dem Fenster neben sich zu und starrte auf das Feld aus Winterwolken hinab, auf die unfruchtbaren Furchen, unter denen gesäter Schnee von einer darunter verborgenen Welt geerntet wurde.
    Ihre Haut wirkte in dem Höhenlicht durchscheinend, und als Cathy ihre Finger an die Scheibe presste, kam Ryan auf den äußerst sonderbaren Gedanken, wenn sie wollte, könnte sie durch diese Barriere greifen, als sei sie weniger stabil als eine hauchdünne Membrane, durchlässiger als die Oberflächenspannung auf einem Teich.
    Er wiederholte seine Frage nicht, weil er erkannte, dass dieses Sich-Entziehen etwas anderes war und sich von ihrem
bisherigen Schweigen unterschied. Es wirkte versonnener und zugleich eindringlicher.
    Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, sagte sie: »Es kann sein, dass Ihnen für die Heldentat keine Zeit mehr bleibt. Um für Sie noch von Nutzen zu sein, erfordert sie eine Zukunft im Dienste befriedigender Werke.«
    Die Direktheit ihres festen Blicks, ihr Tonfall und ihre Ernsthaftigkeit zeugten davon, dass sie der Überzeugung war, sich klar und deutlich und unmissverständlich auszudrücken.
    Ryan war verwirrt, doch er bat sie nicht sofort um eine Erläuterung, weil er daran denken musste, was sie kurz vorher gesagt hatte - dass Erkenntnis sich einstellte, wenn man Geduld bewies. Er hatte den Verdacht, jedes Nachfragen würde mit ebendiesem Rat beantwortet.
    »Was Sie tun müssen«, fuhr sie fort, »ist, sich selbst als Opfer anbieten.« Vielleicht sah sie ihm die Verblüffung an, denn sie führte es näher aus. »Leiden Sie für die Vorhaben anderer, Mr Perry. Wenn Sie den Mut und das Durchhaltevermögen aufbieten können, dann bringen Sie sich selbst für den gesamten Rest ihres Lebens als Opfer dar.«
    Wenn man von ihm verlangt hätte, die Vorgehensweise, die sie ihm gerade vorgeschlagen hatte, in Worte zu fassen, dann wäre er ziemlich aufgeschmissen gewesen. Und doch war ihm auf einer tieferen Bewusstseinsebene und in einem verborgenen Winkel seines Herzens klar, dass sie den Keim einer Wahrheit in ihm gesät hatte und dass er sie mit der Zeit ganz und gar verstehen würde. Aber das würde seine Zeit brauchen.
    Ohne ein weiteres Wort kehrte er zu dem Sitz zurück, auf dem er zuvor gesessen hatte, und sie setzten den Flug räumlich getrennt voneinander fort.

    Als sie über die Staatsgrenze von Arizona nach Kalifornien flogen, zog Ryan in Betracht, nicht nach Hause

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