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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zurückzukehren, wo Lilys Schwester ihn gewiss erwarten musste. Er konnte überall hin, nach Rom, Paris oder Tokio. Er konnte den Rest seines Lebens auf großem Fuß auf der Flucht verbringen, ohne sein Vermögen jemals aufzubrauchen.
    Trotzdem unternahm er nichts gegen die Landung im Süden Kaliforniens, wo der Tag bewölkt und das Meer in der Ferne kabbelig war.
    Auf der Rollbahn kam Cathy auf ihn zu, bevor sie zu der Limousine ging, die Ryan bestellt hatte, damit sie nach Los Angeles zurückgebracht würde. Sie sagte: »Sie haben sich daran erinnert, was ich über die Wurzeln der Gewalttätigkeit gesagt habe. Erinnern Sie sich auch noch an die Pfahlwurzel - immer der Hauptansporn und das wahre Motiv?«
    »Hass auf die Wahrheit«, sagte er. »Und Begeisterung für eine auf den Kopf gestellte Ordnung, die daraus entspringt.«
    Zu seinem Erstaunen stellte sie ihren kleinen Koffer ab und drückte ihn an sich, aber nicht so, wie eine Frau einen Mann umarmt, sondern mit einer Heftigkeit, in der sich mehr als Zuneigung ausdrückte. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, griff dann nach ihrem Koffer und ging auf den Wagen zu, der für sie bereitstand.
    Beim Verlassen des Flughafengeländes in seiner eigenen Limousine dachte Ryan wieder an Flucht. Sie konnten nach San Francisco fahren. Er konnte sich dort einen neuen Wagen besorgen und selbst weiterfahren, nach Portland und dann weiter nach Osten, nach Boise, nach Salt Lake runter, nach Albuquerque und Amarillo. An jedem Ort ein oder zwei Nächte verbringen, unablässig unterwegs.
    Sein Handy läutete.

    Er warf einen Blick auf das Display. Der Anrufer war sein Vater.
    Als Ryan sich meldete, sagte der alte Mann: »Was zum Teufel geht hier vor, Junge?«
    »Dad?«
    »Wie tief ist die Scheiße, in der du steckst? Wirst du darin ertrinken? Werde ich mit dir untergehen oder was zum Teufel wird hier gespielt?«
    »Immer mit der Ruhe, Dad. Beruhige dich. Was ist los?«
    »Violet ist los, und zwar hier.«
    Im ersten Moment verstand Ryan überhaupt nichts und glaubte nur, »Gewalt« gehört zu haben, aber als die Worte richtig bei ihm ankamen, wiederholte er den Namen: »Violet.«
    »Krieg deinen Arsch hoch und komm gefälligst her«, schnauzte ihn sein Vater an. »Was hast du mit einem so durchgeknallten Weibsstück zu schaffen, Junge? Verdammt nochmal, hast du den Verstand verloren? Schaff sie mir vom Hals. Schaff sie mir auf der Stelle vom Hals.«
    Lily und Violet, Schwestern im Leben, Schwestern auf ewig.

51
    Vor fast neun Jahren hatte Ryan Häuser für seine Mutter und seinen Vater - Janice und Jimmy - gekauft und monatliche Beträge festgesetzt, mit denen er sie seither unterstützte. Wenn man bedachte, mit welcher absoluten Gleichgültigkeit sie ihn großgezogen hatten und wie oft diese Gleichgültigkeit durch Verrücktheit und Grausamkeit noch untermauert worden war, dann hatte er eigentlich nicht das Gefühl, ihnen etwas schuldig zu sein. Aber er war prominent, zumindest in der Geschäftswelt. Die Medien hätten sicher nichts Besseres zu tun, als jemand wie ihn zum Sündenbock zu machen, und dazu würde es zwangsläufig kommen, wenn sie herausfänden, dass seine Eltern am Rande der Armutsgrenze lebten. Außerdem bereitete es ihm eine gewisse Genugtuung, sie besser zu behandeln, als sie ihn behandelt hatten.
    Janice und Jimmy hatten sich scheiden lassen, als Ryan neunzehn war, und daher packte er seine Mutter in ein Haus mit Aussicht auf den Hügeln von Laguna Beach und brachte seinen Vater näher bei sich unter, einen halben Straßenzug vom Strand entfernt in Corona del Mar. Janice hatte es gern repräsentativ und weitläufig, sein Vater wollte dagegen einen gemütlichen Bungalow, »bloß keine Spießerhütte«.
    Corona del Mar gehörte zu Newport Beach und stand nicht gerade in dem Ruf, unkonventionell zu sein. Ryan fand einen Bungalow von 220 Quadratmetern im Landhausstil, der einen beträchtlichen Charme besaß, und er war zuversichtlich, dass Jimmy sowohl für das »Flair« sorgen würde als
auch dafür, dass alles ganz von allein schnell schmuddelig wirkte.
    Da er nicht wissen konnte, was er dort vorfinden würde, ließ er seinen Chauffeur die Limousine eine Straße weiter parken und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Haus.
    Bei jedem einzelnen Schritt spielte er mit dem Gedanken, den Rückzug anzutreten, bis Wilson Mott ihm bewaffnete Begleiter organisiert hätte.
    Die Vereinigten Staaten zählen zu den wenigen Ländern der Erde, in denen sich Reiche sicher fühlen

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