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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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der Lage sein sollte, den Sender ungeachtet seiner jeweiligen Verfassung zu erreichen.
    Wie schon in den letzten Nächten würde er beim tröstlichen Schein einer Lampe einschlafen. Als er kürzlich in der Dunkelheit erwacht war, hatte es sich angefühlt, als erwache er in einem versiegelten Sarg, nachdem man ihn vorzeitig begraben hatte; die Luft reichte nicht zum Atmen aus.
    Als er im Bett lag und im Fernsehen ein alter Western lief - John Wayne in Der schwarze Falke -, ließ Ryan die Entscheidungen, die er an diesem Tag getroffen hatte, noch einmal Revue passieren und hatte ein gutes Gefühl dabei.
    Er setzte enorme Zuversicht in seinen neuen Kardiologen, obwohl sogar Hobb in einem Punkt um eine Antwort verlegen gewesen war. Der Arzt hatte keine angemessene Erklärung für das leise, beharrliche Klopfen gehabt, das ab und zu in Ryans Innerem ertönte, hatte sich jedoch ganz
entschieden gegen die Vermutung ausgesprochen, es könne sich um eine Art Blut-und-Muskelproblem handeln, das mit der Kardiomyopathie in Verbindung stand.
    Hobb deutete an, das Geräusch könne stattdessen auf ein Problem mit seinem Gehör hinweisen, also auf eine Erkrankung eines seiner Ohren. Schließlich hatte Ryan so getan, als zöge er diese Möglichkeit in Betracht, doch er war sich weiterhin sicher, dass das Pochen nicht den Schneckenwindungen eines seiner Ohren entsprang, sondern seiner Brust.
    Weniger als die Hälfte seiner Aufmerksamkeit galt John Waynes Geschick im Westen nach dem Bürgerkrieg, denn er lag da und wartete darauf, dass das Klopfen wieder einsetzte.
    Schließlich, als der Film sich seinem Ende näherte und eine Welle der Erschöpfung nach der anderen Ryan dem Schlaf entgegentrieb, den er bitter nötig hatte, kam ihm der Gedanke, das Klopfen würde sich vielleicht deshalb nicht wieder einstellen, weil er bereits darauf reagiert und die Tür geöffnet hatte.
    Er wusste nicht, was er damit meinte. Es war ein trüber Gedanke von der Sorte, wie sie durch einen Verstand strömt, der bereits halb im Fluss des Schlafs versunken ist.
    Und so schlief er ein.

    Im Lauf der Nacht materialisierte sich um ihn herum eine Landschaft und zum ersten Mal seit Monaten ließ ihn ein Traum an einen der Schauplätze zurückkehren, die ihn im September aus dem Schlaf aufgeschreckt hatten.
    Am Anfang war da nur ein Eindruck von Tiefe. Öde und Leere, bodenlos und grauenerregend.

    Dann wurde die Leere zu Wasser, unsichtbar ohne Licht, lautlos ohne Strömungen, weder warm noch kalt, eher erahnt als ertastet.
    Wind wehte über das Wasser, ein mystischer Wind, der ohne Melodie murmelte, und in dem Wind war Licht, die bleiche Helligkeit des Mondes, die er mit sich trug wie Staub und die jedes kleinste Kräuseln auf der Wasseroberfläche versilberte, obgleich die Substanz des Sees schwarz blieb.
    Ein einziger Windhauch zog über das Wasser, erstarb dann, und um den See herum bildete sich die Erde, allerdings kein fruchtbarer Boden, sondern trostlose Felsen, und aus den Felsen wuchsen Bäume, die so farblos wie Schatten waren.
    Er stellte fest, dass er, wie schon früher, auf den Felsen stand, doch eines hatte sich verändert. Er war nicht mehr der einzige Besucher des Sees.
    Am gegenüberliegenden Ufer stand eine Gestalt, eine dunkle Gestalt, die dennoch zu erkennen war, weil die Landschaft dahinter so viel dunkler war, dass dadurch ein Kontrast entstand.
    Als sich diese andere Gestalt langsam einen Weg über die Felsen bahnte und um den See herum auf ihn zukam, wusste Ryan, dass es Samantha sein musste, obwohl er nichts von ihrem Gesicht und kaum etwas von den Umrissen ihres Körpers sehen konnte.
    Sie hätte nach ihm gerufen, wie auch er nach ihr gerufen hätte. Aber an diesem Ort gab es keine Luft, die ihre Stimmen tragen konnte.
    Er setzte sich in Bewegung, um ihr entgegenzulaufen, während sie in einem weiten Bogen auf ihn zukam, machte aber nur ein paar Schritte auf den heimtückischen Felsen,
bevor ihn eine Hand auf seiner Schulter zurückhielt. Sogar in der Düsternis erkannte er William Holden an seiner Seite.
    Der Schauspieler, der längst tot war - der Star aus Sabrina und Die Brücke am Kwai und so vielen weiteren Filmen, Oscar-Preisträger für seine Darstellung in Stalag 17 -, sagte: »Sie ist es nicht, Kumpel.«
    Ryan war nicht überrascht, dass Holden in dieser luftlosen Atmosphäre sprechen konnte. Die Regeln, nach denen andere lebten, galten für Filmstars nie.
    Das schöne Gesicht des Schauspielers war gezeichnet, wie es zu der

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