Racheherz - Roman
machte.
Am 14. Januar um fünf Uhr morgens kam der Anruf. Ein passendes Herz war gefunden worden.
Von allen Rankings, in denen Ryans Name je aufgetaucht war - die Top 100 unter den Internetunternehmern im Wirtschaftsmagazin Forbes , die Top 20 unter den kreativsten Köpfen des Web, die hundert begehrtesten Junggesellen im People Magazin -, war er auf der einzigen Liste, die zählte, an die Spitze aufgestiegen.
Nach all den Monaten des Wartens kam jetzt der Aufruf zum Handeln und die Zeit war in einem Ausmaß, das Ryan nie zuvor gekannt hatte, von ausschlaggebender Bedeutung.
Nachdem man ihn für hirntot erklärt hatte, würde der Körper des Spenders an die lebenserhaltenden Apparate angeschlossen bleiben, bis Ryan im Krankenhaus eintraf und für den Eingriff bereit war. Wenn das Herz nicht über mehrere Stunden bei fünf Grad in einer Salzlösung aufbewahrt werden musste, wenn keine Risiken durch den Transport des Organs eingegangen werden mussten, wenn es dem Spender durch dasselbe Chirurgenteam herausoperiert werden konnte, das es unverzüglich in den Empfänger verpflanzte, erhöhte das die Erfolgsaussichten beträchtlich.
Es konnte immer noch einiges schiefgehen. Bedingt durch die Verletzungen oder die Krankheit, die zu seinem Hirntod geführt hatten, konnte der Spender immer noch einen Herzanfall
erleiden, der den Herzmuskel schädigte und sein Herz für eine Transplantation unbrauchbar machte. Eine unentdeckt gebliebene Infektion der Nieren oder der Leber oder eines anderen inneren Organs, die für die Todesursache des Spenders nebensächlich war und nicht augenblicklich erkannt wurde, konnte zu einer Toxikämie oder im Extremfall zu einem septischen Schock und ausgedehnten Gewebeschäden führen. Die lebenserhaltenden Apparate konnten versagen. Die Stromversorgung des Krankenhauses ausfallen.
Ryan zog es vor, nicht weiter darüber nachzudenken, was alles schiefgehen konnte. In Anbetracht seiner körperlichen Verfassung gab es für ihn gar nichts Schlimmeres, als sich in Angstzustände hineinzusteigern. Er hatte noch kaum ein Drittel des Jahres hinter sich, das Dr. Gupta ihm vorhergesagt hatte. Andererseits hatte er auch kein ganzes Jahr garantiert bekommen, es war nur eine Schätzung gewesen. Sein Herz konnte ihm jeden Moment den Todesstoß versetzen, woraufhin er kein Organempfänger mehr wäre, sondern ein Spender, dem man zum Wohle anderer die Hornhäute der Augen, die Lunge, die Leber und die Nieren entnehmen würde.
Unmittelbar nachdem er die Benachrichtigung um fünf Uhr morgens erhalten hatte, rief Ryan Samantha an und wünschte sich verzweifelt, sie würde nicht selbst ans Telefon gehen. Er wollte nicht direkt mit ihr reden, ihre Fragen nicht beantworten müssen, die Enttäuschung oder die Angst um ihn, die sie gewiss zur Sprache brächte, nicht aus ihrer Stimme heraushören.
Da sie mit den letzten Kapiteln ihres Romans kämpfte, arbeitete Sam oft bis spät in den Abend hinein und ging erst nach Mitternacht ins Bett. Ryan hoffte, um diese Uhrzeit
würde sie das Telefon abgeschaltet haben und er würde ihre Mailbox erreichen - was dann auch der Fall war.
Sogar ihr Allerwelts-Spruch, »Leider kann ich Ihren Anruf nicht persönlich entgegennehmen«, ging ihm durch und durch, er klang für ihn banal und ergreifend zugleich. Er fragte sich, ob er ihre Stimme jemals wieder hören oder sie wiedersehen würde.
»Sam, ich liebe dich, ich liebe dich mehr, als ich dir sagen kann. Hör zu, der Anruf ist gerade gekommen. Ein passendes Herz. Ich fliege hin. Ich habe mit Dr. Hobb und seinem Team vereinbart, dass sie die Operation vornehmen. Ich habe dir nichts davon gesagt, weil du mich für paranoid gehalten hättest, aber ich glaube nicht, dass ich das bin. Sam, ich glaube, ich habe getan, was ich tun musste. Vielleicht konnte ich nicht gut mit der Diagnose umgehen, vielleicht bin ich daraufhin ein bisschen übergeschnappt und vielleicht ist Paranoia eine der Nebenwirkungen dieser Medikamente, aber ich glaube es nicht. Jedenfalls werde ich all das regeln, wenn es mir wieder gut geht, wenn ich zurück bin, falls ich es überstehe. Sam, Sam, mein Gott, Sam, ich möchte dich bei mir haben, ich wünschte, du könntest bei mir sein, aber nicht, wenn ich sterbe, und das könnte passieren, die Möglichkeit besteht. Daher ist es das Beste, wenn du hierbleibst. Was ich mir für dich wünsche, ganz gleich, was passiert, ist, dass du den Roman beendest, dass er ein Riesenerfolg für dich wird und dass du immer so
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