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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sein, sich für den Rest ihres Lebens noch mehr gehenzulassen und in noch größerer Maßlosigkeit zu schwelgen als bisher.
    Er empfand keine Feindseligkeit ihnen gegenüber. Sie hatten ihn nie geliebt, aber auch nie geschlagen. Sie waren zwar nicht liebesfähig, aber sie wären durchaus fähig gewesen, ihn zu schlagen, und daher musste man ihnen in dieser Hinsicht ihre Zurückhaltung zugutehalten. Was sie sich selbst angetan hatten, war schlimmer als alles, was sie ihm zugefügt hatten.
    Wenn er sich die Zeit für einen Abschied nehmen wollte, hätte er sich von seinem Haus verabschieden sollen. Aus einem Abschied von seinen Eltern würde er weit weniger emotionale Befriedigung schöpfen.

    Ihr Ziel war der Flughafen Long Beach. Einen medizinischen Notflug vom Los Angeles International Airport zu arrangieren, wäre zu zeitraubend und frustrierend gewesen.
    Im ersten Tageslicht, als sie auf der Rollbahn standen und der Medijet sich schemenhaft abzeichnete, wirkte er viel größer als der Firmen-Learjet, den Ryan ursprünglich hatte benutzen wollen. Dr. Hobb zog es vor, dieses Flugzeug zu chartern, das sowohl für sein Team als auch für ein Kontingent an Freunden und Verwandten des Patienten ausreichend Platz bot. In dem Fall beschränkte sich Ryans Kontingent auf das Bild von Samantha, das er in Gedanken bei sich trug, damit es ihm Halt gab.
    Außerdem war der Medijet mit medizinischen Geräten ausgestattet, die unterwegs erforderlich werden konnten, und er war auch auf Patienten eingerichtet, die nicht gehfähig waren oder andere spezielle Bedürfnisse hatten.
    Drei Krankenwagen, die Dr. Hobb und sein Team von verschiedenen Punkten im Großraum Los Angeles zum Flughafen befördert hatten, standen aufgereiht in der Nähe des Jets. Die letzten Gepäckstücke des Ärzteteams wurden gerade in das Flugzeug geladen.
    Während ein Sanitäter seinen Koffer zu dem Steward des Medijet trug, stand Ryan einen Moment lang da, schaute nach Osten und genoss die rosa, türkis- und orangefarbene Pracht zur Feier der aufgegangenen Sonne.
    Dann ging er an Bord des Jets, um zu seiner Wiedergeburt oder in den Tod zu fliegen.

31
    Ryan lief durch gelben Strahlenglanz, Gelb knirschte unter seinen Schuhen und die gelbe Wärme einer Herbstsonne schmolz streichelzart auf seiner Haut.
    In der gelben Ferne rief jemand seinen Namen, und obwohl die Stimme nur schwach zu vernehmen war, glaubte er, sie zu erkennen. Er kam nicht dahinter, wer nach ihm rief, doch die Stimme machte ihn glücklich.
    Er schien lange Zeit unbeschwert aus Gelb hinaus- und in Gelb hineinzulaufen, ohne sich an der Eintönigkeit oder daran, dass er kein Ziel hatte, zu stören, und dann lag er auf dem Rücken auf einer schwarzen Bank, die er gemütlich fand, obwohl sie aus Eisen war. Über ihm hing ein Baldachin aus Gelb und um ihn herum breitete sich nach allen Seiten ein gelber Teppich aus.
    Als er einatmete, fand er heraus, wie Gelb roch, und als er ausatmete, bedauerte er, das Gelb, das er tief in sich eingesogen hatte, wieder ausstoßen zu müssen.
    Ganz allmählich nahm er wahr, dass sich jemand über ihn beugte, sein rechtes Handgelenk hielt und ihm den Puls fühlte.
    Eine blendend gelbe Sonne durchbohrte den Baldachin aus gelbem Espenlaub an tausend Stellen, Gelb polierte Gelb zu einem noch intensiveren und leuchtenderen Glanz, strahlte die Person, die sich um ihn kümmerte, von hinten an und hüllte diese Erscheinung zugleich in eine dunstig gelbe Aurora, einen Schleier, durch den Ryan keine Gesichtszüge
sehen konnte, die es ihm erlaubt hätten, seinen Betreuer zu identifizieren.
    Er nahm an, dass derjenige, der seinen Puls maß, auch derjenige sein musste, der aus dem strahlenden Gelb nach ihm gerufen hatte, und er war noch eine ganze Weile glücklich, weil er wusste, dass diese Erscheinung ihn liebte.
    Später, als er versuchte, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, stellte er fest, dass er stumm war, und seine Unfähigkeit zu sprechen erinnerte ihn daran, wie er am Ufer des schwarzen Sees nicht in der Lage gewesen war, William Holden zu antworten.
    Plötzlich schien der schemenhafte Pulsmesser nicht mehr in einem gelben Glorienschein zu erstrahlen, sondern sich in diesem Strahlenglanz zu verbergen, gerissen und berechnend und keineswegs liebevoll. Es handelte sich tatsächlich um die dunkle Gestalt, die am Ufer um den See herumgelaufen war und in deren Arme Ryan sich geworfen und der er sich ausgeliefert hätte, wenn Mr Holden ihn nicht gewarnt hätte.
    Der

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