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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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er es geflüstert, Mama. Immer wieder Mama. Ich hab ihm die Tränen abgewischt, mit meinem Schlafanzugärmel, und da hab ich gemerkt, wie heiß er ist. Dann hab ich versucht mit ihm zu reden, Steve, hab ich gesagt, Steve, deine Mama ist nicht da. Aber er hat immer nur nach seiner Mutter verlangt, als ob er mich gar nicht bemerkt hat. Immer nur Mama, und ich hab mir gedacht, wenn ich seine Mama holen könnte, egal wie, ich würde es tun. Und es wäre egal, ob der Alte mich windelweich schlägt. Und dann hab ich mir überlegt, nach wem ich rufen würde, wenn es mir so schlecht geht. Und da ist mir aufgefallen, dass ich nicht weiß, nach wem ich rufen würde. Mit Sicherheit nicht nach meiner Mutter und auch nicht nach meinem Vater. Man muss schon verdammt allein auf dieser beschissenen Welt sein, wenn man nicht mal das weiß. Wenn ich morgen tot umfalle, schert das kein Schwein. Vielleicht Luke oder Steve. Aber Luke hat sich einfach verpisst. Dem ist es jetzt auch egal. Und dann hab ich mir überlegt, was Steve wohl für ein Verhältnis zu seiner Mutter hat, wenn er nach ihr weint. Und dann hab ich kapiert, dass er nicht gelogen hat, als er erzählt hat, dass sein Vater ihn nicht geschlagen hat. Vielleicht sind seine Eltern tot. Vielleicht hat seine Mutter ihn richtig gut behandelt. Vielleicht ist er deshalb so anders. Und irgendwie hab ich ihn beneidet, obwohl das völlig hirnrissig war, so schlecht, wie es ihm geht. Er atmete ganz komisch. So röchelnd. Ich bin dann einfach sitzen geblieben, was sollte ich denn tun? Irgendwann hat er aufgehört zu weinen und hat auch nicht mehr geredet. Vielleicht ist er eingeschlafen, aber vielleicht auch nicht. Seine Augen waren ganz komisch, nicht richtig auf, aber auch nicht zu, und die Augäpfel sind immer von einer Seite zur anderen, das konnte man sehen, weil die Augen ja nicht richtig geschlossen waren. Und dann hat er plötzlich Blut gespuckt. Da hab ich gewusst, er braucht Hilfe, und ich hab so lange an die Tür gehämmert, bis der ganze Gang sich davor versammelt hat, aber die war ja abgesperrt. Jemand hat den Alten geholt, und der kam in unser Zimmer. Allein. Die anderen hat er weggeschickt und gesagt, dass alles in Ordnung ist und ich übertreibe. Und dann hat er mir eine geklebt, dass mein Ohr geklingelt hat, und mich am Kragen gepackt. Tom, hat er gesagt, hör mir gut zu, weil ich sag das nur ein Mal. Wenn Steve abkratzt, weil du ihn die Treppe runtergestoßen hast, und du hier ein Spektakel veranstaltest, bist du dran. Du wanderst direkt in den Jugendknast. Überleg dir gut, was du sagst und tust. Solange du still bist, hast du meinen Schutz.
    Ich hab das erst gar nicht kapiert, ich hab nur gedacht, was redet er von Abkratzen und Knast, und ich hab gesagt: Bitte, Steve muss unbedingt ins Krankenhaus, er hat Blut gespuckt. Und da hat er mir noch eine geknallt. Und dann hat er gesagt, du hast nicht zugehört, Tom Baker. Du hörst nie zu, das ist das Problem mit dir. Schon immer gewesen. Steve bleibt hier bei dir. Du bist für ihn verantwortlich, und wenn er stirbt, ist das deine Schuld. Du bist schuld, vergiss das nicht. Und dann ist er wieder gegangen und hat hinter uns zugesperrt, und ich hab gewusst, dass er keinen Arzt holen wird.
    Ich hab Steve nicht die Treppe runtergestoßen. Der Alte weiß das genauso gut wie ich, aber er wird es so hinstellen. Und alle werden ihm glauben, und ich werde verknackt für etwas, das ich gar nicht getan habe.
    Steve hustet wieder. Ich muss zu ihm. Wenigstens seine Hand halten. Vielleicht denkt er ja, dass ich seine Mama bin, wenn ich seine Hand halte.

65
    Sie hatten bereits die Hälfte des Weges zum Grace Manor Hotel zurückgelegt und noch immer kein Wort gesprochen. Die grüne Landschaft flog an ihnen vorbei, sanfte Hügel, gelbe Felder und grüne Wiesen. Hanna fuhr die Konturen des kleinen Schlüssels nach und versuchte ihre wachsende Unruhe im Zaum zu halten. Dunkle Wolken zogen auf, sie wuchsen von Minute zu Minute und türmten sich zu düsteren Himmelshochhäusern über dem Meer, so düster wie ihre Gedanken, die sich wie ein Kreisel um all die neuen Informationen drehten. Brachte sie Lilou und sich in Gefahr, wenn sie in dem Hotel übernachteten, obwohl dort der Heimleiter lebte? Jeder, der ihn kannte, warnte vor ihm. Allerdings, wie gefährlich konnte ein Mann im Rollstuhl werden? Warum sollte er ihnen überhaupt gefährlich werden – im Gegensatz zu ihr, die genau wusste, wer er war, hatte er keine Ahnung. Weder dass sie die

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