Rachekind: Thriller (German Edition)
Augen zu beobachten schienen.
Der Fun-Park war winzig, aber völlig ausreichend für die jungen Gäste, für die er offensichtlich konzipiert worden war. Ein Karussell bildete den Mittelpunkt der Anlage, drum herum waren im Kreis eine Schiffschaukel, ein Trampolin, ein Spiegellabyrinth, eine Wurfbude und eine Riesenrutsche aufgebaut. Am Eingang parkte ein Zug auf Rädern, dessen Beschriftung den Gästen Touren durch den Garten und den Dinosteig versprach.
Kaum hatten Hanna, Lilou und Marten den Fun-Park betreten, zog Lilou wie wild an Hannas Hand.
»Da, da!«
Lilou riss sich los und stürmte auf das Karussell zu. Hanna lief hinterher und fing sie wieder ein. »Stopp, Püppchen, nicht so stürmisch, ja? Du musst an Mamas Hand bleiben.«
»Iss! Da! Iss!« Aufgeregt hüpfte Lilou auf und ab und lehnte sich mit all ihrem Gewicht nach vorn, Richtung Karussell.
Hanna sah auf und bemerkte den blauen Wal, der eingebettet zwischen Pferd und Feuerwehrauto Kindern als Fahrzeug diente.
»Ein Wal!« Hanna hob Lilou hoch und näherte sich dem Karussell. »Der sieht aus wie deiner, nicht wahr?«
»Iss! Iss!« Lilou streckte sich nach dem Wal aus.
»Da werden wir wohl Karussell fahren müssen.« Marten legte seinen Arm um Hannas Schulter und schob sie sanft die Stufen hoch. »Wie kriegt man das Ding denn an?«
»Du musst ein Pfund in den Schlitz stecken.« Hanna setzte Lilou in den Walbauch und hockte sich daneben. Lilou schnalzte mit der Zunge und klatschte in die Hände.
Marten steckte die Hand in seine Hosentasche und kam mit einer Handvoll Münzen die Stufen hoch. Er warf ein Pfund in den Automaten, und das Karussell setzte sich in Bewegung. Leise Jahrmarktmusik ertönte aus Lautsprechern über ihren Köpfen.
»Also dann, du bist dran.« Marten ging neben Hanna in die Hocke und legte eine Hand auf den Kopf desWals. »Woher wusstest du das mit Vanderhoven?«
Hanna wurde heiß. »Nicht so schnell. Du hast erst eine Frage beantwortet. Warum hast du dich nach meinem Erbe erkundigt?«
»Du hast mir den Auftrag gegeben.«
»Ich?« Hanna funkelte ihn an. »Das stimmt doch gar nicht.«
»Du hast mich beauftragt herauszufinden, wer Rose ist«, konterte Marten.
»Ich weiß, wer Rose ist«, sagte Hanna triumphierend. »Rose ist Britt.«
»Und wer ist Britt?«
»Meine Nachbarin.« Hanna runzelte irritiert ihre Stirn. Was sollte diese Frage? Marten wusste genau, wer Britt war.
»Ich weiß, dass Britt deine Nachbarin ist, aber wusstest du, dass sie deine Schwester ist?«
68
Ihr ganzes Leben lang hatte Hanna danach gestrebt zu erfahren, wer ihr Geschwister war. Jetzt wünschte sie, sie hätte es nie erfahren. Schweigend lief sie neben Marten den Dinosteig entlang. Lilou hatte ihren Kopf an Martens Schulter gelehnt und zeigte sich vollkommen unbeeindruckt von den Dinosaurier-Attrappen, die alle fünfzig Meter aus dem Wald in den Weg hineinragten.
Hanna war froh, dass der Fun-Park seine Tore schloss. Sie hätte das fröhliche Gedudel keine Minute länger ertragen, auch wenn sie Lilou von dem Wal fast nicht hatten lösen können. Sie musste sich bewegen. Am liebsten wäre sie den ganzen Weg zum Wald gerannt. So schnell und so lange, bis ihre Lungen um Gnade gewinselt hätten. Britt war ihre Schwester. Rose ist deine Schwester .
»Es tut mir leid.« Marten berührte sie am Arm.
»Dass Britt meine Schwester ist?«
»Dass ich es dir nicht schonender beigebracht habe. Ich weiß, dass du dir eine Schwester oder einen Bruder gewünscht hast.« Er fuhr mit den Fingern ihren Arm entlang und ergriff ihre Hand. »Das muss ein schwerer Schlag für dich sein.«
»Wie …«, begann Hanna und brach ab. Ein Kloß stieg in ihrem Hals auf, und sie schluckte ihn mit aller Macht herunter.
»Wie ich darauf gekommen bin?«
Hanna nickte.
»Du hattest mir von dem Fehltritt deines Vaters erzählt. Und Steve, ich meine Tom, hat in diesem Tagebuch all diese Informationen über dich gesammelt. Ich habe einfach die zwei Dinge zusammengebracht. Warum kommt Tom ausgerechnet auf dich? Er war mit dieser Rose zusammen. Dann verlässt er sie und spioniert dich aus. Meine Frage war also: Hat diese Rose ihm etwas über dich erzählt? Und wenn ja, warum? Ich habe mir überlegt, weshalb eine Frau ihrem Liebsten von einer anderen erzählt. Wohlgemerkt, einer Frau, die er nicht kennt und die auch sie nicht kennt, zumindest nicht persönlich. Und da kam mir die Idee. Was, wenn deine Schwester genau wusste, wer du bist? Wenn sie von weitem dein Leben über
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