Racheklingen
in der Dunkelheit des Dachbodens und sah von der Dachkante aus in den Hof unter sich. Männer in prunkvoller Kleidung kamen zu Grüppchen zusammen, lösten sich wieder voneinander und wuselten durch die Türen, die ins Haus führten. Im Schein der Lampen leuchteten und schimmerten sie. Derbe Ausrufe und gedämpftes Getuschel, schlechte Musik und gut gelauntes Gelächter drangen durch die Nacht, aber Morveer war nicht in Feierlaune.
»Wieso so viele?«, flüsterte er. »Wir haben höchstens halb so viele Leute erwartet. Hier ist doch etwas schiefgelaufen.«
Ein glühender Flammenstoß schoss in die kühle Nacht, und man hörte lauten Beifall. Der idiotische Ronco, der sein eigenes Dasein und das aller anderen Menschen im Hof gefährdete. Morveer schüttelte leise den Kopf. Wenn das eine gute Idee gewesen war, dann war er der Kaiser von …
Day zischte ihm etwas zu, und er tastete sich über die Dachbalken zurück, während das alte Holz leise knarrte. Behutsam legte er sein Auge auf eines der Löcher. »Es kommt jemand.«
Eine Gruppe von acht Personen näherte sich von der Treppe, allesamt maskiert. Vier waren offensichtlich Wächter, die Brustplatten der Rüstungen auf Hochglanz poliert. Zwei waren sogar noch offensichtlicher Frauen aus Cardottis Haus. Die beiden letzten Männer jedoch waren für Morveer von besonderem Interesse.
»Ario und Foscar«, flüsterte Day.
»So sieht es
zweifelsohne
aus.« Orsos Söhne wechselten noch einige Worte, während die Wachen neben den beiden Türen Aufstellung nahmen. Dann verneigte sich Ario tief, und sein gehässiges Kichern drang bis zum Dachboden empor. Er schlenderte den Flur zur zweiten Tür hinunter, den Arm um eine der Frauen gelegt, und überließ seinem Bruder die Königssuite.
Morveer runzelte die Stirn. »Hier läuft etwas ganz und gar
schief
.«
Es sah genauso aus, wie sich ein Schwachkopf das Schlafgemach eines Königs vorgestellt hätte. Der Raum war restlos überladen, und alles glänzte vor Gold- und Silberfäden. Das Bett war ein Ungeheuer mit riesigem Baldachin, der von dicken Lagen roter Seide erstickt wurde. Ein fettleibiges Schränkchen strotzte vor Branntweinflaschen. Die Decke war mit schattenumlagertem Stuck und einem enormen, blinkenden Kronleuchter geschmückt, der viel zu tief hing. Der Kaminsims ruhte auf zwei Statuen nackter Frauen aus grünem Marmor, die eine Fruchtschale in die Höhe hielten.
An einer Wand hing eine große Leinwand in glitzerndem Rahmen – eine Frau mit höchst unwahrscheinlicher Oberweite badete in einem Fluss und schien das Ganze wesentlich mehr zu genießen, als es wahrscheinlich war. Monza hatte nie begriffen, wieso es ein Gemälde besser machte, wenn der eine oder andere Nippel zu sehen war. Aber Maler dachten offenbar so, und deswegen zeigte man Nippel.
»Von dieser Scheißmusik kriege ich Kopfschmerzen«, knurrte Vitari, die sich einen Finger unter ihr Korsett schob und an der Hüfte kratzte.
Monza deutete mit einer Kopfbewegung zur Seite. »Dieses verdammte Bett macht mir Kopfschmerzen. Vor allem vor dieser Tapete.« Es handelte sich um ein besonders übles Azurblau mit türkisen Streifen, das mit vergoldeten Sternchen verziert war.
»Wenn das nicht reicht, um eine Frau an die Spreupfeife zu bringen.« Vitari tippte die Elfenbeinpfeife an, die auf dem Marmortisch neben dem Bett lag, neben einem Klümpchen Spreu in dem Glaskrug daneben. Der Hinweis war für Monza überflüssig. Sie hatte das Rauchutensil die ganze letzte Stunde kaum aus den Augen gelassen.
»Denk an die Aufgabe«, gab sie kurz zurück, löste die Augen von der Pfeife und sah wieder zur Tür.
»Immer.« Vitari hob den Rock. »Ist allerdings mit diesen scheiß Klamotten nicht so einfach. Wie kann bloß jemand …«
»Pssst.« Schritte ertöten auf dem Gang draußen.
»Unsere Gäste. Bist du bereit?«
Die Griffe der beiden Messer drückten in Monzas verlängerten Rücken, als sie die Hüften bewegte. »Ist jetzt wohl zu spät, um es mir anders zu überlegen, was?«
»Es sei denn, du wolltest sie stattdessen lieber ficken.«
»Ich denke, wir belassen es bei Mord.« Monza stützte sich mit der rechten Hand im Fensterrahmen ab und hoffte, damit eine verführerische Pose einzunehmen. Ihr Herz klopfte, und das Blut rauschte schmerzhaft laut in ihren Ohren.
Ganz langsam öffnete sich nun knarrend die Tür, und ein Mann trat ein. Er war groß und ganz in Weiß gekleidet, und seine goldene Maske hatte die Form einer halben, aufgehenden Sonne. Sein
Weitere Kostenlose Bücher