Racheklingen
»Es ist alles da.«
»Möchtest du auch etwas?«
»Nein.«
»Nein, natürlich nicht, warum auch?« Wein gluckerte aus der Flasche. »Ich nehme an, diese Situation ist dir nicht neu.«
»Nein.« Dabei konnte sie sich im Augenblick nicht darauf besinnen, wann sie das letzte Mal als Hure verkleidet mit einem König gesprochen hatte. Sie hatte zwei Möglichkeiten. Mit ihm zu schlafen oder ihn umzubringen. Beides erschien ihr wenig reizvoll. Ario umzubringen, bedeutete schon Ärger genug. Einen König umzubringen – selbst Orsos Schwiegersohn – würde noch wesentlich mehr Probleme mit sich bringen.
Wenn er vor zwei dunklen Pfaden steht,
hieß es bei Stolicus,
dann sollte ein General stets den leichteren beschreiten.
Sie bezweifelte, dass er dabei an derartige Umstände gedacht hatte, aber das änderte nichts. Sie umfasste mit einer Hand den Bettpfosten und ließ sich ein wenig sinken, bis sie ungelenk auf den grellen Decken saß. Dann fiel ihr Auge auf die Spreupfeife.
Wenn er vor zwei dunklen Pfaden steht, hieß es bei Farans, dann sollte ein General stets einen dritten suchen.
»Sie wirken nervös«, raunte sie.
Der König war nun bis an das Fußende des Bettes getreten. »Ich muss gestehen, dass es lange her ist, seit ich … einen Ort wie diesen hier besucht habe.«
»Dann brauchen Sie vielleicht etwas Beruhigendes.« Sie wandte ihm den Rücken zu, bevor er ablehnen konnte, und begann die Pfeife zu stopfen. Es dauerte nicht lange, bis sie damit fertig war. Schließlich tat sie das jede Nacht.
»Spreu? Ich bin mir nicht sicher, ob ich …«
»Brauchen Sie auch dafür den Segen Ihrer Frau?« Sie streckte ihm die Pfeife hin.
»Natürlich nicht.«
Monza stand auf, hob die Lampe, achtete darauf, dass er den Blick nicht von ihr ließ und hielt die Flamme an den Pfeifenkopf. Nach dem ersten Zug hustete er alles sofort wieder aus. Beim zweiten fast genauso. Den dritten konnte er länger wirken lassen, und schließlich stieß er ein Wölkchen weißen Rauchs aus.
»Du bist dran«, krächzte er und drückte ihr die Pfeife wieder in die Hand, als er sich aufs Bett sinken ließ. Der Rauch kräuselte sich noch daraus empor und kitzelte ihre Nase.
»Ich …« Oh, wie sehr es sie danach verlangte. Sie bebte vor Gier. »Ich …« Hier war es, direkt in ihrer Hand. Aber es war nicht die richtige Zeit, um sich gehen zu lassen. Sie durfte den Überblick nicht verlieren.
Sein Mund verzog sich zu einem dümmlichen Grinsen. »Wessen Segen brauchst du denn?«, krächzte er. »Ich verspreche, ich werde niemandem … oh.«
Schon hielt sie die Flamme wieder an die graubraunen Flocken, zog den Rauch tief ein und fühlte, wie er in ihren Lungen brannte.
»Verdammte Stiefel«, hörte sie den König fluchen, der versuchte, die auf Hochglanz polierte Fußbekleidung abzustreifen. »Passen mir verdammt noch mal überhaupt nicht. Da zahlt man … hundert Mark … für ein Paar Stiefel, da sollte man … doch erwarten können …« Einer flog davon und prallte gegen die Wand, wo er einen hellen Fleck zurückließ. Monza fiel das Aufstehen schwer.
»Noch einmal.« Sie hielt ihm die Pfeife hin.
»Nun … das schadet ja wohl nicht …« Monza starrte auf die Flamme der Lampe, wie sie aufflackerte. Schimmernd, leuchtend, in allen Farben wie ein Schatz aus unbezahlbaren Edelsteinen verwandelten sich die Spreukrümel in strahlendes Orange, wurden von hübschem Braun zu glühendem Rot und schließlich zu verbrauchter grauer Asche. Der König blies ein langgezogenes Wölkchen süß riechenden Rauchs in ihr Gesicht, und sie schloss die Augen und saugte ihn ein. Ihr Kopf war voll davon, schwoll an und schien platzen zu wollen.
»Oh.«
»Hm?«
Er sah sich mit großen Augen um. »Das ist jetzt … doch ziemlich …«
»Ja. Ja, das ist es.« Das Zimmer glühte. Der Schmerz in ihren Beinen war zu einem angenehmen Kitzeln geworden. Ihre nackte Haut kribbelte und prickelte. Sie sank aufs Bett, und die Matratze knarrte unter ihrem Körper. Nur sie und der König der Union, auf einem hässlichen Bett in einem Hurenhaus. Was hätte gemütlicher sein können?
Der König fuhr sich träge mit der Zunge über die Lippen. »Meine Frau. Die Königin. Du weißt schon. Hab ich das erwähnt? Die Königin. Sie hat nicht immer Lust …«
»Ihre Frau mag Frauen«, sagte Monza, ohne darüber nachzudenken. Dann prustete sie vor Lachen los und musste ein wenig Rotz von ihrer Oberlippe wischen. »Sie liebt sie geradezu.«
Die Augen des Königs färbten sich
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