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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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maskierte Frau, die Röcke zusammengerafft, kichernd die Straße entlanggerannt kam. Ein Mann jagte hinter ihr her. »Komm zurück! Küss mich, du Luder!« Ihre Schritte verhallten.
    Cosca schlenderte über die Straße, als ob sie ihm gehörte, und bog in die Gasse hinter dem Lagerhaus ein; dort schmiegte er sich eng gegen die Wand. Dann schlich er zur Hintertür. Mit leisem, stählernem Klingen zog er den Stockdegen, und die Schneide schimmerte in der Nacht. Der Türknauf drehte sich, die Tür öffnete sich leise. Er schlich sich in die Dunkelheit …
    »Keinen Schritt weiter.« Metall küsste seinen Hals. Cosca öffnete die Hand und ließ den Degen auf die Dielenbretter fallen.
    »Das war’s dann wohl.«
    »Cosca, bist du das?« Die Klinge verschwand. Vitari stand in den Schatten hinter der Tür.
    »Schylo, hast du dich wieder umgezogen? Ich fand das Kleid, das du bei Cardotti getragen hast, viel schöner. Du sahst mehr … wie eine Dame aus.«
    »Puh.« Sie drängte sich an ihm vorüber und trat in den dunklen Flur. »Die Unterwäsche, soweit man überhaupt davon sprechen konnte, war die reinste Folter.«
    »Ich werde mich damit bescheiden, sie mir in meinen Träumen vorzustellen.«
    »Was ist bei Cardotti geschehen?«
    »Tja, was ist geschehen?« Cosca beugte sich steifbeinig vor und hob seinen Degen mit zwei Fingern wieder auf. »Ich würde sagen, der schöne Ausdruck ›Blutbad‹ wäre eine passende Beschreibung. Dann brach das Feuer aus. Ich muss gestehen … ich habe mich schnellstens aus dem Staub gemacht.« In Wirklichkeit verabscheute er sich dafür, dass er abgehauen war und versucht hatte, seine eigene Haut zu retten. Aber die Gewohnheiten eines langen Lebens sind nicht so leicht wieder abzulegen. »Wieso sagst du mir nicht, was geschehen ist?«
    »Der König der Union ist geschehen.«
    »Der was?« Cosca erinnerte sich an den Mann in Weiß, der die Maske mit der aufgehenden Sonne getragen hatte. Der Mann, der so gar nicht wie Foscar ausgesehen hatte. »Aaaaaaah. Das würde die ganzen Wachen erklären.«
    »Was ist mit deinen Gauklern?«
    »Die waren lediglich Abschreibungsposten. Von ihnen hat sich keiner hier gezeigt?«
    Vitari schüttelte den Kopf. »Bisher nicht.«
    »Dann würde ich vermuten, dass sie sich größtenteils, wenn nicht komplett erledigt haben. So ist es nun einmal mit Söldnern. Leicht anzuheuern, noch leichter wieder zu entlassen, und wenn sie wieder weg sind, vermisst sie niemand.«
    Freundlich saß über den Tisch gebeugt in der düsteren Küche und ließ seine Würfel sanft im Schein einer einzigen Lampe über die Platte kullern. Ein schweres und äußerst bedrohliches Beil lag schimmernd neben ihnen.
    Cosca ging zu ihm hinüber und deutete auf die Würfel. »Drei und vier, was?«
    »Drei und vier.«
    »Sieben. Ein ziemlich gewöhnliches Ergebnis.«
    »Durchschnitt.«
    »Darf ich?«
    Freundlich sah ruckartig zu ihm auf. »Ja.«
    Cosca nahm die Würfel und ließ sie zu Freundlich zurückrollen. »Sechs. Du hast gewonnen.«
    »Das ist mein Problem.«
    »Wirklich? Meins ist das Verlieren. Was ist geschehen? Es gab doch keinen Ärger im Spielsaal?«
    »Bisschen.«
    Eine lange Spur getrockneten Blutes, dunkel im Lampenschein, lief über den Hals des Sträflings. »Du hast da was … da an der Seite«, sagte Cosca.
    Freundlich wischte das Blut ab und betrachtete seine braunroten Fingerkuppen mit der Gefühlstiefe eines leeren Ausgusses. »Blut.«
    »Ja. Eine Menge Blut, heute Abend.« Jetzt näherte sich Cosca wieder einem Zustand, der Sicherheit genannt werden konnte, der Kitzel der Gefahr verebbte allmählich, und hinter ihm rückte das altbekannte Gefühl der Reue nach. Seine Hände zitterten wieder. Ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps. Er tigerte durch den Flur des Lagerhauses.
    »Ah! Der Zirkusdirektor der heutigen mörderischen Vorstellung!« Morveer lehnte am Treppengeländer und sah abfällig auf ihn herab. Dicht in seiner Nähe stand Day, die sich eine Orange schälte.
    »Unsere Giftmischer! Es schmerzt mich zu sehen, dass Sie noch am Leben sind. Was ist geschehen?«
    Morveers Lippen verzogen sich noch mehr. »Die uns zugewiesene Aufgabe sah vor, dass wir die Wächter im obersten Stockwerk ausschalteten. Das haben wir mit
größtmöglicher
Geschwindigkeit und Diskretion erledigt. Man hatte uns nicht angewiesen, danach weiter im Haus zu bleiben, im Gegenteil, wir sollten es gar nicht. Unsere Dienstherrin vertraut uns nicht. Sie legte Wert darauf, dass es auf keinen Fall

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