Racheklingen
Nase.
»Monza!« Coscas Stimme ertönte vor der Tür. »Wir haben hohen Besuch.«
Sie zog einen Lederhandschuh über den verkrüppelten Witz von einer Hand und zuckte zusammen, als sie ihre krummen Finger hineinzwang. Langsam und erschauernd holte sie Luft, zog den Calvez unter der Matratze hervor und hakte ihn im Gürtel ein. Allein die Tatsache, dass er dort hing, genügte, damit sie sich ein wenig besser fühlte. Sie öffnete die Tür.
Unten im Flur stand Carlot dan Eider, Goldfäden glitzerten in ihrem roten Mantel, und sie beobachtete Monza, wie sie, das Hinken mühsam verbergend, gefolgt von Cosca die Treppe hinunterkam.
»Was, zur Hölle, ist geschehen? Bei Cardotti brennt’s! Die Stadt ist in Aufruhr!«
»Was geschehen ist?«, bellte Monza. »Wieso sagen Sie mir nicht, was geschehen ist? Seine verdammte Erhabene Majestät war dort, wo Foscar hätte sein sollen!«
Der schwarze Schorf über der kleinen Wunde an Eiders Hals bewegte sich, als sie schluckte. »Foscar wollte nicht gehen. Er sagte, er hätte Kopfschmerzen. Also nahm Ario stattdessen seinen Schwager mit.«
»Und der hat dann zufällig noch ein Dutzend Ritter der Wacht mitgeschleppt«, warf Cosca ein. »Die Leibwache des Königs. Und außerdem eine weitaus größere Zahl von Gästen, als man hätte erwarten können. Das führte zu keinem glücklichen Ergebnis. Für niemanden.«
»Ario?«, fragte Eider leise mit bleichem Gesicht.
Monza starrte ihr in die Augen. »Abgestochen wie eine
Sau
.«
»Der König?«, hauchte Eider beinahe.
»Lebt. Jedenfalls, als ich ihn verließ. Danach ist allerdings ja das Haus ein bisschen abgebrannt. Vielleicht haben sie ihn vorher rausgeholt.«
Eider sah zu Boden und massierte sich mit den behandschuhten Fingern die Schläfen. »Ich hatte gehofft, Sie würden scheitern.«
»Da hatten Sie Pech.«
»Das wird nun Folgen haben. Wenn man so etwas tut, dann hat das Folgen. Manche sind vorauszusehen, andere nicht.« Sie streckte die Hand aus. »Mein Gegengift.«
»Es gibt keins.«
»Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten!«
»Es gab kein Gift. Nur ein Stich mit einer trockenen Nadel. Sie sind frei.«
Eider lachte ihr bellend vor Verzweiflung entgegen. »Frei? Orso wird nicht ruhen, bis er mich an seine Hunde verfüttert hat! Vielleicht kann ich ihn auf Abstand halten, aber dem Krüppel werde ich nie entgehen. Ich habe ihn enttäuscht, ich habe seinen kostbaren König in Gefahr gebracht. Das wird er nicht durchgehen lassen. Er lässt nie etwas durchgehen. Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Sie reden, als hätte es eine Wahl gegeben. Orso und die anderen sterben, oder ich sterbe. Das ist alles. Zufriedenheit spielt dabei überhaupt keine Rolle.« Monza wandte sich achselzuckend ab. »Sie sollten besser Ihre Flucht antreten.«
»Ich habe einen Brief abgeschickt.«
Monza verharrte, wandte sich dann wieder um. »Einen Brief?«
»Schon am Vormittag. An Großherzog Orso. Er wurde in einer recht heißblütigen Stimmung verfasst, daher habe ich vergessen, was genau darin steht. Allerdings wurde der Name Schylo Vitari erwähnt und auch der Name Nicomo Cosca.«
Cosca winkte mit einer Hand ab. »Ich habe mir immer schon mächtige Feinde gemacht. Das ist für mich eine Frage des Stolzes. Sie aufzulisten, ist stets sehr unterhaltsam, wenn man sich beim Abendessen in angenehmer Gesellschaft befindet.«
Eider richtete ihren abfälligen Blick vom alten Söldner wieder auf Monza. »Diese beiden Namen, und natürlich auch den Namen Murcatto.«
Monza runzelte die Stirn. »Murcatto.«
»Für wie dumm halten Sie mich? Ich weiß, wer Sie sind, und jetzt weiß Orso es auch. Dass Sie leben, dass Sie seinen Sohn getötet haben und dass Sie dabei Hilfe hatten. Eine erbärmlich kleine Rache, mag sein, aber das Nächstbeste, was in meiner Macht stand.«
»Rache?« Monza nickte langsam. »Nun. Danach strebt jeder. Es wäre besser gewesen, Sie hätten das nicht getan.« Der Calvez klapperte leise, als sie ihre Hand auf den Knauf der Waffe legte.
»Was, wollen Sie mich deswegen töten? Ha! Ich bin schon so gut wie tot!«
»Warum sollte ich mir dann also diese Mühe machen? Sie stehen nicht auf meiner Liste. Sie können gehen.«
Eider starrte sie einen Augenblick an, öffnete leicht den Mund, als wollte sie etwas sagen, dann klappte sie ihn wieder zu und wandte sich zur Tür. »Wollen Sie mir kein Glück wünschen?«, rief Monza ihr nach.
»Wie bitte?«
»So, wie ich die Sache sehe, können Sie nun vor allem darauf hoffen,
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