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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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das Gehöft, als er ihm folgte, und schüttelte den Kopf. Es gab nichts Schlimmeres, als zu ausführlich zu planen, das stimmte. Aber fast ebenso schlimm war es, zu wenig zu planen.
     
    Morveer blinzelte. »Aber …« Er machte einen langsamen Schritt auf Day zu. Sein Knöchel gab nach, und er rutschte seitlich gegen den Tisch, warf einen Flakon um und verschüttete den zischenden Inhalt über das Holz. Mit einer Hand griff er sich an die Kehle, und seine Haut lief rot an und brannte. Ihm war bereits klar, was sie getan hatte, und die Erkenntnis fuhr ihm wie Eis durch die Adern. Er wusste, was nun kommen musste. »Der König …«, röchelte er, »der Gifte?«
    »Was sonst? Vorsicht steht immer an erster Stelle.«
    Er verzog das Gesicht vor Schmerz, der weniger durch den winzigen Stich auf seinem Arm verursacht wurde, sondern vielmehr durch die weit größere Wunde bitteren Verrats tief in seinem Innern. Er hustete, fiel vornüber auf die Knie, streckte die Hand zitternd nach oben. »Aber …«
    Day trat seine Hand mit der Schuhspitze weg. »Dazu verdammt, missverstanden zu werden?« Ihr Gesicht war verzerrt vor Verachtung. Sogar vor Hass. Die angenehme Maske des Gehorsams war gefallen. »Was glauben Sie, ist an Ihnen überhaupt zu verstehen, Sie eingebildeter Parasit? Sie sind so dünn wie Löschpapier!« Das war der tiefste Schlag von allen – Undank, nach all dem, was er ihr gegeben hatte! Sein Wissen, sein Geld, seine … väterliche Zuneigung! »Ein kleinkindhaftes Selbst im Körper eines Mörders! Unterdrücker und Feigling in einem. Castor Morveer, der größte Giftmischer aller Zeiten? Der größte Langweiler aller Zeiten vielleicht, Sie …«
    Er sprang mit vollendeter Gelenkigkeit vor und ritzte ihr dabei mit seinem Skalpell den Knöchel, dann rollte er sich unter den Tisch und stand auf der anderen Seite wieder auf, wo er sie durch den komplizierten Apparat hindurch angrinste, durch die flackernden Flammen der Brenner, die verzerrenden Formen der gebogenen Röhren, die schimmernden Oberflächen von Glas und Metall.
    »Ha,
ha
!«, rief er, völlig bei sich und überhaupt nicht sterbend. »Du und
mich
vergiften? Der
große
Castor Morveer, erledigt von seiner
Assistentin
? Wohl
kaum
!« Sie starrte auf ihren blutenden Knöchel und blickte ihn dann mit geweiteten Augen an. »Es gibt keinen König der Gifte, du Närrin!«, gackerte er.
    »Diese Methode, die ich dir zeigte und die eine Flüssigkeit hervorbringt, die wie Wasser riecht, schmeckt und aussieht? Es ist Wasser! Völlig harmlos! Im Gegensatz zu der Verbindung, mit der ich dich gerade geritzt habe und die genügen sollte, um zwölf Pferde umzubringen!«
    Er ließ die Hand in sein Hemd gleiten, suchte mit geschickten Fingerspitzen die richtige Phiole und hielt sie ans Licht. Eine klare Flüssigkeit glitzerte darin. »Das Gegengift.« Sie erbleichte, als sie es sah, tat so, als wolle sie auf einer Seite um den Tisch stürmen, und nahm dann die andere, aber ihre Füße waren ungeschickt, und er konnte ihr mühelos ausweichen. »
Höchst
würdelos, meine Liebe! Da jagen wir uns gegenseitig um unseren Apparat, in einer Scheune irgendwo in der styrischen Provinz! Wie
fürchterlich
würdelos!«
    »Bitte«, zischte sie. »Bitte, ich … ich …«
    »Mach es für uns beide jetzt nicht auch noch peinlich! Du hast deinen wahren Charakter gezeigt, du … du undankbare Harpyie! Du wurdest enttarnt, du betrügerischer
Kuckuck

    »Ich wollte nur nicht die Schuld für alles bekommen! Murcatto hat gesagt, dass Sie früher oder später zu Orso überlaufen würden! Dass ich dann der Sündenbock sein würde! Murcatto hat gesagt …«
    »
Murcatto
? Du glaubst Murcatto mehr als mir? Dieser degenerierten, spreusüchtigen und blutrünstigen
Schlächterin
der
verdammten Kriegszüge
? Oh
rühmenswertes
Licht, das mich führt! Nenne mich verrückt, dass ich auch nur einer von euch beiden je vertraut habe! Wie es scheint, hattest du recht damit, als du mich mit einem Säugling verglichen hast. Ich bin die
unverdorbene Unschuld
! Voll
unverdienten
Erbarmens!« Damit warf er Day die Phiole zu. »Damit man mir nie nachsagen kann«, fuhr er fort, während er zusah, wie Day im Stroh nach dem Fläschchen suchte, »dass ich nicht«, sie hatte es gefunden und riss den Stopfen heraus, »ebenso großzügig, gnädig und vergebungsvoll sei wie jeder andere Giftmischer«, nun trank sie hastig den Inhalt, »auf dem
gesamten
Weltenrund.«
    Day wischte sich den Mund und holte erschauernd

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