Racheklingen
Salve Flachbogenbolzen abschossen.
Auf der grasbewachsenen Koppel stürzten Männer ruckartig aus ihren Sätteln, Pferde brachen zusammen und warfen ihre Reiter ab. Fleisch fiel zu Boden, pflügte durch den nassen Boden, Glieder schlackerten hin und her. Tiere und Menschen brüllten und heulten vor Entsetzen und Wut, Schmerz und Angst. Vielleicht ein Dutzend Reiter war gestürzt, aber die übrigen setzten ohne das kleinste Anzeichen eines Zögerns zum Angriff an, die schimmernden Waffen erhoben, und ihr Kriegsgeheul war ebenso laut wie die Schmerzensschreie ihrer gefallenen Kameraden.
Morveer stieß ein leises Wimmern aus, schlug die Tür wieder zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Offener Kampf. Wilde Wut und Zufälligkeit. Spitze Waffen, die sich mit großer Schnelligkeit bewegten. Vergossenes Blut, eingeschlagene Köpfe, aufgerissene weiche Körper, deren Innereien ekelerregend ins Freie quollen. Eine höchst unzivilisierte Verfahrensweise und ganz sicher keine, in der er besonders versiert war. Seine eigenen Eingeweide, die sich dankenswerterweise noch in seinem Bauch befanden, rührten sich mit dem ersten Stich größten Entsetzens und Widerwillens, dann zogen sie sich in einer wesentlich vernünftigeren Welle der Furcht zusammen. Wenn Murcatto gewann, dann gewann die Frau, die ihre tödlichen Absichten ihm gegenüber klar gezeigt hatte. Sie hatte ja nicht einmal davor zurückgeschreckt, den Tod seiner unschuldigen Gehilfin in die Wege zu leiten. Wenn die Tausend Klingen gewannen, nun, dann würde man ihn als Komplizen der Mörder Prinz Arios betrachten. In beiden Fällen war er zweifelsohne dem Tod geweiht.
»Verdammt!«
Hinter der einzigen Tür wurde das Gehöft allmählich zu einem Schlachthof, aber die Fenster waren zu schmal, als dass er sich hätte hindurchquetschen können. Auf dem Heuboden verstecken? Nein, nein, was war er denn, ein Fünfjähriger? Sich neben die arme Day legen und sich totstellen? Was? Sich in Urin ausstrecken? Niemals! Er rannte hastig zum anderen Ende der Scheune und bohrte verzweifelt seine Finger zwischen die Holzbretter, um sich einen Weg hindurchzubahnen. Schließlich fand er eine lose Latte und trat heftig dagegen.
»Brich durch, du verdammtes Holzding! Brich! Brich!
Brich
!« Auf dem Hof hinter ihm wurde der Lärm tödlicher Kämpfe immer lauter. Etwas krachte seitlich gegen das Gebäude, und er zuckte zusammen, als durch die Wucht des Aufpralls Staub von den Dachsparren rieselte. Wieder wandte er sich der hölzernen Wand zu, wimmerte vor Angst und Hilflosigkeit, und sein Gesicht brannte vor Schweiß. Ein letzter Tritt, und die Latte gab nach. Müdes Tageslicht drängte sich durch zwei Bretter mit rauen Kanten. Er kniete sich hin, wandte den Oberkörper seitwärts, zwängte den Kopf durch die Lücke. Splitter bohrten sich in seine Kopfhaut, und er erhaschte einen Blick auf flaches Land, braunen Weizen und ein kleines Baumgrüppchen in etwa zweihundert Schritt Entfernung. Sicherheit. Er schob einen Arm nach draußen und klammerte sich erfolglos an die verwitterte Außenseite der Scheune. Eine Schulter, die Hälfte seiner Brust, dann steckte er fest.
Es war gelinde gesagt optimistisch gewesen, dass er geglaubt hatte, mühelos durch diesen Spalt schlüpfen zu können. Zehn Jahre zuvor war er so schlank wie eine Weidenrute gewesen und hätte mit der Gelenkigkeit eines Tänzers durch eine nur halb so breite Lücke gepasst. In der Zwischenzeit hatten zu viele Pasteten dafür gesorgt, dass eine solche Tat unmöglich wurde, und ihm dämmerte allmählich die Erkenntnis, dass ihn die vielen Leckereien vielleicht das Leben kosten konnten. Er wand sich, drehte sich hin und her, und hartes Holz bohrte sich in seinen Bauch. Würde man ihn so finden? Würde das die Geschichte sein, die man sich lachend in den kommenden Jahren erzählen würde? Sähe so sein Vermächtnis aus? Der große Castor Morveer, der Tod ohne Gesicht, der meistgefürchtete aller Giftmischer endlich gefasst, eingeklemmt in einen Spalt an der Rückwand einer Scheune, als er gerade fliehen wollte?
»Verdammte
Pasteten
!«, kreischte er, und mit einer letzten Anstrengung zwängte er sich hindurch. Er biss die Zähne zusammen, als ein querstehender Nagel ihm das halbe Hemd aufriss und ihm eine lange, schmerzhafte Schramme über den Rippen zufügte. »Verdammt noch mal! Scheiße!« Nun zog er die schmerzenden Beine nach. Endlich aus der Umarmung der schlecht zusammengezimmerten Holzwand befreit und über und
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