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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ich eine frohe Jagd.« Damit schritt er in den Sonnenaufgang.
    Der Getreue nahm Espe sofort wieder in die Zange. »Eine Stunde Ritt, hast du gesagt?«
    »Wenn du schnell bist für dein Alter.«
    »Ha. Woher weißt du, dass sie dich inzwischen nicht vermisst hat und abgehauen ist?«
    »Sie schläft. Spreurausch. Jeden Tag raucht sie mehr von dem Scheiß. Die Hälfte der Zeit ist sie hackedicht, die andere Hälfte giert sie danach. Sie wird eine ganze Weile nicht aufwachen.«
    »Dann verschwenden wir besser keine Zeit. Diese Frau ist stets für unangenehme Überraschungen gut.«
    »Das ist wohl wahr. Und sie erwartet Hilfe. Zweimal zwanzig Männer von Herzog Rogont, die morgen Nachmittag eintreffen sollen. Sie wollen dich beobachten und dir einen Hinterhalt legen, sobald du nach Süden weiterziehst.«
    »Es gibt doch kein schöneres Gefühl, als wenn man eine Überraschung umdreht, nicht wahr?« Der Getreue grinste. »Und du wirst in vorderster Front reiten.«
    »Für ein Zehntel des Kopfgelds reite ich in vorderster Front im Damensattel.«
    »Einfach vorn reicht schon. Direkt neben mir, damit du mir die Richtung sagen kannst. Wir ehrlichen Jungs müssen zusammenhalten.«
    »Das müssen wir«, sagte Espe. »Ohne Zweifel.«
    »In Ordnung.« Der Getreue klatschte in die großen Hände und rieb sie. »Ich gehe schnell noch mal pinkeln, und dann lege ich meine Rüstung an.«

DER KÖNIG DER GIFTE
    »Meister?«, ertönte Days hohe Stimme. »Sind Sie wach?« Morveer stieß einen angespannten Seufzer aus. »Der gnädige Schlaf hat mich aus seiner sanften Umarmung entlassen … hinein in die
eisigen
Arme einer gefühllosen Welt.«
    »Was?«
    Er wischte ihre Frage mit einer bitteren Handbewegung weg. »Egal. Meine Worte fallen wie Samen … auf steinernen Boden.«
    »Sie haben gesagt, dass ich Sie bei Morgengrauen wecken sollte.«
    »Morgengrauen? Oh, du harte Herrin!« Er warf die dünne Decke beiseite und erhob sich mühsam von dem pieksenden Stroh, ein wahrlich bescheidenes Lager für einen Mann seiner beispiellosen Fähigkeiten. Steifbeinig kletterte er die Leiter vom Scheunenboden hinab. Für eine Übernachtung im Heu, das musste er sich eingestehen, zählte er inzwischen zu viele Jahre und war zudem längst von viel zu ausgewähltem Geschmack.
    Day hatte den Apparat während der dunklen Stunden aufgebaut und nun, da das erste blutleere Licht des Morgens durch die schmalen Fenster sickerte, auch schon die Brenner angezündet. Die Reagenzien köchelten lebhaft, Dampf entwich gleichmütig in die Luft, Destillate tröpfelten fröhlich in die Sammelkolben. Morveer umrundete den notdürftig hergerichteten Tisch, schlug mit den Knöcheln im Vorbeigehen gegen das Holz und ließ die Gläser klappern und rasseln.
    Alles schien genau richtig aufgestellt worden zu sein. Day hatte ihr Geschäft von einem Meister gelernt, vielleicht sogar vom größten Giftmischer im ganzen weiten Weltenrund, wer konnte das schon sagen? Aber selbst der Anblick derart guter Arbeit war nicht geeignet, Morveer aus seiner trübsinnigen Stimmung reißen.
    Er blies die Backen auf und seufzte müde. »Niemand versteht mich. Ich bin dazu verdammt, missverstanden zu werden.«
    »Sie sind ein sehr komplexer Mensch«, sagte Day.
    »Ganz genau!
Genau
! Du hast es erkannt!« Vielleicht war sie die Einzige, die zu schätzen wusste, dass unter seinem strengen und gebieterischen Äußeren Gefühlsreserven von der Tiefe eines Bergsees schlummerten.
    »Ich habe Tee gekocht.« Sie hielt ihm einen eingebeulten Metallbecher hin, aus dem sich Dampf hervorringelte. Sein Magen knurrte unangenehm.
    »Nein. Ich bin für deine nette Fürsorge sehr dankbar, aber dennoch nein. Meine Verdauung ist heute Morgen ein wenig in Aufruhr, ein wenig
mehr
sogar.«
    »Hat unsere gurkhisische Besucherin Sie nervös gemacht?«
    »Absolut und überhaupt
gar
nicht«, log er und unterdrückte ein Schaudern bei dem bloßen Gedanken an diese Mitternachtsaugen. »Meine Magenverstimmung hat ihre Ursache in den ständigen Meinungsverschiedenheiten mit unserer Dienstherrin, der berüchtigten Schlächterin von Caprile, der stets widersprechenden Murcatto! Ich finde einfach nicht die richtige Art, mit dieser Frau zurechtzukommen! Ganz gleich, wie herzlich ich ihr gegenüber bin, ganz gleich, wie rein meine Absichten sein mögen, sie nimmt mir alles
übel

    »Sie ist ein bisschen schwierig, das stimmt.«
    »Nach meiner Ansicht ist sie mehr als nur schwierig, nämlich schon deutlich … gehässig«,

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